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AT: Verbot von Konversionsmaßnahmen rückt näher – Regierungsparteien arbeiten an eigenem Gesetz

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦     

 

Oppositionsanliegen im Gleichbehandlungsausschuss vorerst vertagt – Grüne fordern umfassenden Schutz vor „Pseudotherapien“

 

Wien – Der rechtliche Schutz vor sogenannten Konversionsmaßnahmen, also Eingriffen mit dem Ziel, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität von Menschen zu verändern, nimmt in Österreich konkretere Formen an. Im Gleichbehandlungsausschuss des Nationalrats wurde am Dienstag ein entsprechender Antrag der Grünen zwar vertagt – die Regierungsfraktionen bestätigten jedoch, dass ein eigenes Gesetz in Arbeit sei. Die Fraktionen von ÖVP, Grünen und NEOS verhandeln derzeit über eine finale Fassung, wie mehrere Abgeordnete im Ausschuss betonten.

 

Breite Übereinstimmung über Verbot – Uneinigkeit bei Begrifflichkeiten 

Mit ihrem „Konversionsmaßnahmen-Schutz-Gesetz“ (295/A) wollten die Grünen ein klares Signal gegen diskriminierende Eingriffe setzen. Der Antrag sieht ein Verbot konversiv-reparativer Praktiken bei besonders vulnerablen Gruppen vor – darunter Minderjährige, junge Erwachsene unter 21 Jahren bei Ausnützung einer Zwangslage, nicht entscheidungsfähige Personen sowie Menschen, die in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Bei Verstößen sind Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder Geldstrafen bis zu 720 Tagessätzen vorgesehen. Zudem soll Werbung für oder die Vermittlung solcher Maßnahmen mit bis zu 30.000 Euro geahndet werden.

 

David Stögmüller (Grüne) betonte im Ausschuss die Dringlichkeit eines gesetzlichen Schutzes – insbesondere im „Pride Month“, in dem weltweit auf die Rechte von LGBTIQ+-Menschen aufmerksam gemacht wird. Dass es dennoch zu keiner raschen Annahme des Antrags kam, liegt laut ÖVP-Abgeordnetem Nico Marchetti an unterschiedlichen Auffassungen zur Begrifflichkeit. Besonders der Begriff „Geschlechtsausdruck“ sei seiner Fraktion zu unklar und daher derzeit nicht konsensfähig. Die Koalition wolle jedoch das gemeinsame Ziel eines Verbots weiterhin verfolgen und sei in der „legistischen Umsetzung“.

 

Auch die SPÖ und NEOS signalisierten Zustimmung zur grundsätzlichen Intention. Mario Lindner (SPÖ) sprach von einem bald umsetzungsreifen Gesetzesentwurf, und Henrike Brandstötter (NEOS) zeigte sich optimistisch, dass es zu einer parteiübergreifenden Einigung kommen werde. Man sei „auf der Zielgeraden“, betonten mehrere Abgeordnete.

 

Keine Kriminalisierung medizinisch fundierter Therapien 

Der grüne Gesetzesentwurf betont ausdrücklich, dass wissenschaftlich fundierte Behandlungen von Störungen der Sexualpräferenz – etwa bei paraphilen Störungen wie Pädophilie oder Voyeurismus – sowie therapeutische Maßnahmen zur Stärkung des Selbstwertgefühls von LGBTIQ+-Personen vom Verbot nicht erfasst sein sollen. Ziel sei es, Menschen vor gefährlicher „Pseudotherapie“ zu schützen, nicht aber medizinische oder psychotherapeutische Standards zu untergraben.

 

Weitere Oppositionsinitiativen vertagt 

Im Gleichbehandlungsausschuss wurden neben dem Konversionsverbot auch mehrere weitere Oppositionsinitiativen auf unbestimmte Zeit vertagt. Darunter fiel etwa die Forderung der Grünen nach der Einberufung eines weiteren runden Tisches zu Hassverbrechen gegen LGBTIQ+-Menschen, mit Beteiligung relevanter Stakeholder sowie Vertreter:innen aus Justiz und Innenministerium. Laut Ausschussmehrheit soll zunächst der nationale Aktionsplan gegen Hasskriminalität abgewartet werden.

 

Vertagt wurden zudem Anträge der Grünen zur Erhöhung des Frauenbudgets und zur Verbesserung der Gewaltschutzstrukturen sowie FPÖ-Initiativen zur Reform des Unterhaltsrechts und zur Förderung von Mädchen in technischen Schulen. Die Regierungsparteien verweisen in Bezug auf die Unterhaltsthematik auf einen geplanten Unterhaltsgarantie-Fonds, der künftig für mehr finanzielle Sicherheit sorgen soll.

 

Zeichen der Bewegung – aber noch kein Gesetz 

Auch wenn der grüne Antrag nicht angenommen wurde, zeichnen sich parteiübergreifende Fortschritte beim Schutz vor Konversionsmaßnahmen ab. Ob und wann ein gemeinsamer Gesetzesentwurf tatsächlich im Nationalrat eingebracht wird, bleibt offen. Inmitten des Pride Month fordern LGBTIQ+-Organisationen jedoch rasches Handeln. Die internationale Menschenrechtslage sei eindeutig – in mehreren europäischen Ländern sind solche Praktiken bereits verboten. Österreich könnte demnächst folgen.

 

Hinweis: Dieser Artikel basiert auf den Beratungen im Gleichbehandlungsausschuss des österreichischen Parlaments am 4. Juni 2025.

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 


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