
DMZ – POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦
80 Lehrlinge aus drei Bundesländern übernehmen für zwei Tage die Rolle von Abgeordneten – Mit eigenen Gesetzesvorschlägen und hitzigen Debatten erleben sie den politischen Alltag hautnah.
Wien – Einmal im Jahr verwandelt sich das österreichische Parlament in eine Bühne für junge Stimmen: Beim Lehrlingsparlament schlüpfen Lehrlinge aus ganz Österreich in die Rolle von Nationalratsabgeordneten. Heuer debattierten 80 Lehrlinge aus Wien, Oberösterreich und Vorarlberg im Hohen Haus über einen fiktiven Gesetzesentwurf – und machten dabei eindrucksvoll deutlich, dass politische Bildung nicht nur ein Schlagwort, sondern gelebte Praxis sein kann.
„Spannend, wie viele verschiedene Meinungen es zu einem kurzen Gesetzestext geben kann“, resümierte eine Teilnehmerin. Dass Kompromisse notwendig sind, um gemeinsame Lösungen zu finden, war eine wiederkehrende Erkenntnis in den hitzig, aber respektvoll geführten Debatten.
Gesetzgebung im Kleinen – mit echten politischen Prozessen
Die Jugendlichen bildeten Fraktionen, führten Ausschusssitzungen durch, verhandelten Änderungsanträge und beschlossen schlussendlich im Plenum einen überarbeiteten Gesetzestext. Inhaltlich behandelten sie einen Entwurf, der Unternehmen verpflichten sollte, Leitfäden über Pflichten und Rechte von Lehrlingen einzuführen. Der ursprüngliche Text wurde von den Lehrlingen substanziell verändert: So wurden etwa Gehaltskürzungen bei Verstößen gestrichen, verpflichtende Feedbackgespräche eingeführt und die Idee eines begleitenden Leitfadens konkretisiert.
Ein Teilnehmer brachte es auf den Punkt: „Ein Gesetz ist nicht einfach da – man muss es verhandeln, diskutieren, und am Ende entscheidet die Mehrheit.“ Dass dieser Weg nicht immer konfliktfrei verläuft, zeigte sich auch in der lebhaften Auseinandersetzung zwischen den provisorisch gebildeten Koalitions- und Oppositionsgruppen. Während die Koalition betonte, dass „konstruktive Kräfte echten Mehrwert geschaffen“ hätten, kritisierte die Opposition unnötige Regulierungen und Eingriffe in die Freiheit der Lehrlinge.
Politisches Engagement trifft auf parlamentarische Realität
Von den sechs eingebrachten Entschließungsanträgen wurden mehrere mit Mehrheit angenommen, darunter Forderungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für pharmazeutisch-kaufmännische Assistenzkräfte und zur besseren Kontrolle der Lehrlingsausbildung. Einstimmig angenommen wurde ein Antrag gegen die Besteuerung von Trinkgeld – ein Thema, das viele Lehrlinge unmittelbar betrifft. Andere Anträge, wie etwa die Forderung nach verpflichtender Drittbegleitung bei Prüfungen, scheiterten an der fehlenden Mehrheit.
Wertschätzung von höchster Stelle
Nationalratspräsident Walter Rosenkranz zeigte sich beeindruckt vom Engagement der Jugendlichen: „Sie haben hier Worte verwendet wie ‚guter Wille‘, ‚Kompromiss‘ und ‚unsere Zukunft‘ – das ist keine Selbstverständlichkeit.“ Auch Abgeordnete aller im Nationalrat vertretenen Parteien begleiteten die Lehrlinge und zollten Respekt für deren Einsatz. „Demokratie lebt vom Mitgestalten“, betonte Markus Koza (Grüne), während Roland Baumann (SPÖ) daran erinnerte, dass Österreich stolz auf sein duales Ausbildungssystem sein könne – und auf Lehrlinge, die sich aktiv einbringen.
Politische Bildung als gelebte Demokratie
Das Lehrlingsparlament ist Teil der Initiativen zur politischen Bildung im österreichischen Parlament. Es bietet jungen Menschen die Möglichkeit, politische Abläufe zu erleben, Verantwortung zu übernehmen und die Bedeutung von Partizipation unmittelbar zu erfahren. In diesem Jahr nahmen unter anderem Lehrlinge der Berufsschulen Altmünster, Dornbirn, Kremsmünster und Wels sowie Lehrlinge von Wiener Wohnen teil.
Die Veranstaltung zeigt: Wer einmal selbst erlebt hat, wie komplex, aber auch erfüllend parlamentarische Prozesse sein können, wird Politik nicht mehr als abstrakte Institution wahrnehmen – sondern als etwas, das man selbst mitgestalten kann.
Weitere Informationen zum Lehrlingsparlament:
www.reininsparlament.at
Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦
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