
DMZ – POLITIK ¦ Lena Wallner ¦
München – Sie waren sportlich, aktiv, voller Lebensfreude. Dann kam Covid-19 – manchmal mild, manchmal symptomlos – doch zurück blieb eine lähmende Erschöpfung. Immer mehr Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene kämpfen nach einer Infektion mit dem Coronavirus mit anhaltenden Beschwerden. Die Diagnose: Long Covid – und oft in besonders schwerer Ausprägung mit dem chronischen Fatigue-Syndrom ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome). Eine neue Spezialstation an der München Klinik Schwabing ist für sie ein Lichtblick.
Wenn der Körper aufgibt
Nicht mehr zur Schule gehen, nicht mehr mit Freundinnen sprechen, kaum das Zimmer verlassen – für viele Betroffene verändert sich das Leben grundlegend. Was wie Schulvermeidung oder Antriebslosigkeit wirken mag, ist in Wahrheit eine schwere körperliche Erkrankung. Betroffene schildern, dass sie selbst einfachste Reize wie Licht, Geräusche oder soziale Interaktion nicht mehr ertragen. Manche liegen wochen- oder monatelang in abgedunkelten Zimmern – vollkommen erschöpft.
Medizinisches Neuland – und dringender Handlungsbedarf
Seit 2019 gibt es an der Kinderklinik der München Klinik Schwabing ein deutschlandweit einzigartiges Zentrum zur Versorgung und Erforschung postinfektiöser Erkrankungen bei jungen Menschen. Es entstand in Kooperation mit dem Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM). Nun wurde das Angebot erweitert: Haus 10 der Schwabinger Klinik beherbergt seit Kurzem eine spezialisierte Station für Kinder und Jugendliche mit Long Covid.
Ermöglicht wurde der Ausbau durch das vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege geförderte Projekt „Post-Covid-Kids Bavaria“. Die Station soll Versorgung und Forschung miteinander verknüpfen – und dringend benötigte Erkenntnisse zu Long Covid und ME/CFS bei jungen Menschen liefern.
„Die Krankheit ist real – und sie kann junge Leben vollkommen zum Erliegen bringen“, sagt Dr. Cordula Warlitz, leitende Kinderärztin der Station.
Ein Ort der Ruhe – und der Hoffnung
Die Station wurde gemeinsam mit Betroffenen konzipiert. Jalousien verdunkeln die Zimmer, Schlafmasken und Kopfhörer helfen gegen Reizüberflutung, dimmbare Lampen schaffen ein Gefühl von Kontrolle. An den Wänden hängen Zeichnungen der Patientinnen und Patienten – stille Zeugnisse eines oft überhörten Leidens.
Mehr Forschung, mehr Unterstützung – aber viel Unwissen
Trotz steigender Fallzahlen wird Long Covid bei jungen Menschen noch immer unterschätzt. Besonders schwer erkrankte Jugendliche mit ME/CFS erleben oft jahrelange Odysseen durch Arztpraxen, bis sie ernst genommen werden. Dabei zeigen aktuelle Studien, dass selbst milde Covid-Verläufe langfristige Folgen nach sich ziehen können – auch bei Kindern. So bestätigt eine Übersichtsarbeit in Nature Reviews Microbiology, dass Long Covid bei bis zu 10 % der infizierten Kinder auftreten kann – häufig mit Konzentrationsstörungen, Fatigue und Belastungsintoleranz (Nature Reviews Microbiology, 2023).
Auch das Deutsche Zentrum für Gesundheitsforschung (DZG) warnt: Die Versorgungslage für junge Long-Covid-Patienten sei unzureichend, und die Krankheit werde noch immer nicht in der Breite der Medizin angemessen berücksichtigt (DZG, 2024).
Die Forderung: Mehr Anerkennung, mehr Mittel, mehr Zeit
Die neue Station in Schwabing ist ein Hoffnungsschimmer – doch sie reicht nicht aus. Es braucht bundesweit mehr spezialisierte Anlaufstellen, langfristige Forschungsgelder und vor allem ein Umdenken in Medizin und Politik. Long Covid bei Jugendlichen ist keine psychosomatische Randerscheinung, sondern eine chronische Erkrankung mit teils verheerenden Folgen.
Dass junge Menschen in einer reichen Industrienation wie Deutschland monate- oder gar jahrelang ohne adäquate Hilfe bleiben, widerspricht jedem Anspruch an eine gerechte Gesundheitsversorgung. Die Betroffenen brauchen mehr als Hoffnung – sie brauchen Handeln.
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