
DMZ – POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦
Tätigkeitsbericht 2024 dokumentiert Überlastung durch Krisen und chronischen Personalmangel – Menschenrechte gefährdet
Die Volksanwaltschaft schlägt in ihrem aktuellen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2024 (III-130 d.B.) Alarm: Anhaltende Krisen und strukturelle Engpässe setzen der öffentlichen Verwaltung in Österreich zunehmend zu. Der Bericht zeigt eine über Jahre gewachsene Belastung, die sich mittlerweile in zahlreichen Missständen niederschlägt – von der Polizei über das Gesundheitssystem bis hin zu Justizanstalten. Besonders schwerwiegend: Auch die Einhaltung menschenrechtlicher Standards ist gefährdet.
24.000 Beschwerden, 2.368 Missstände
Rund 24.000 Menschen wandten sich 2024 mit Beschwerden an die Volksanwaltschaft – ein neuer Höchststand in einem kontinuierlich steigenden Trend. In 12.109 Fällen wurden Prüfverfahren durchgeführt, wobei in fast einem Fünftel – konkret 2.368 Fällen – tatsächliche Missstände festgestellt wurden. Betroffen waren dabei nahezu alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung.
Den größten Anteil der Verfahren machte der Bereich "Innere Sicherheit" mit rund 27 % aus, darunter viele Beschwerden zu Asyl-, Niederlassungs- und fremdenpolizeilichen Verfahren. Der Sozial- und Gesundheitsbereich war mit 19,5 %, die Justiz mit 18,5 % vertreten. Auch die Landesverwaltungen wurden intensiv geprüft: Allein auf Wien entfielen fast die Hälfte der 3.466 Verfahren.
Strukturelle Defizite in Pflege, Justiz und Polizei
Der Bericht hebt besonders die anhaltenden Personal- und Ressourcenmängel hervor, die sich auf allen Verwaltungsebenen bemerkbar machen. Diese führten nicht nur zu langen Wartezeiten und mangelhafter Kommunikation, sondern auch zu menschenrechtlich bedenklichen Zuständen in Betreuungseinrichtungen, Psychiatrien und Gefängnissen.
Bei 458 präventiven Menschenrechtskontrollen – etwa in Justizanstalten, Kinderheimen, Pflegeeinrichtungen und bei Polizeieinsätzen – wurden in 67 % der Fälle Defizite festgestellt. Kritisiert wurden vor allem unzureichende hygienische Bedingungen, mangelnde Betreuung, bauliche Mängel und unklare rechtliche Rahmenbedingungen. Besonders alarmierend: In vielen Justizanstalten wurde eine „Kultur der Gewalt“ dokumentiert, die teilweise als Normalität empfunden werde.
Fremdenrecht und Asyl: Rekord bei Beschwerden gegen das BFA
Ein Schwerpunkt lag erneut auf dem Asyl- und Fremdenrecht. Die Zahl der Beschwerden über das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hat sich binnen zwei Jahren mehr als verdoppelt: 2024 wurden knapp 1.000 Fälle verzeichnet, 771 davon betrafen rechtswidrige Verzögerungen von Asylverfahren. Die Entscheidungspflicht sei in diesen Fällen verletzt worden. Auch die steigende Dauer von Staatsbürgerschaftsverfahren – vor allem in Wien – wurde kritisiert.
Gesundheitssystem unter Druck – ME/CFS und Impfkosten ungelöst
Der Gesundheitsbereich war ebenfalls stark betroffen. Zwar gingen die COVID-bezogenen Beschwerden deutlich zurück, doch neue Themen rückten in den Fokus: etwa die strukturelle Unterversorgung bei post-viralen Erkrankungen wie ME/CFS oder das fehlende Angebot für einen Kostenersatz bei der Herpes-Zoster-Impfung. Zunehmend beklagt wurden auch lange Wartezeiten auf ärztliche Behandlungen und unzureichende Kostenübernahmen durch die Krankenversicherung.
Pflege, Behinderung, Justiz: Menschenrechtslage alarmierend
Die Volksanwaltschaft kritisiert zudem den fehlenden Fortschritt bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Noch immer mangele es an Strategien für die De-Institutionalisierung, also der Unterstützung von Menschen mit Behinderung beim Leben in der Gemeinschaft. Auch im Justizbereich wurde in zahlreichen Fällen ein „drückender Überbelag“ beklagt – insbesondere von Insass:innen, die unter unzumutbaren Bedingungen litten.
Rentensystem und Entschädigungen: Lücken bleiben
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Entschädigung ehemaliger Heimopfer. Trotz einer leichten Abnahme der Anträge (560 im Jahr 2024) verweist die Volksanwaltschaft auf eine weiterhin hohe Zahl von Betroffenen aus früheren Taubstummenanstalten und Wiener Einrichtungen. Weder der Bund noch die Stadt Wien hätten bislang pauschalierte Entschädigungen gezahlt, was als Versäumnis gewertet wird.
Fazit: Die Verwaltung steht am Limit
Der Bericht der Volksanwaltschaft zeichnet ein klares Bild: Die Verwaltung gerät zunehmend an ihre Grenzen – nicht nur durch äußere Krisen, sondern auch durch strukturelle Defizite, die über Jahre hinweg vernachlässigt wurden. Die hohe Zahl an Missständen, insbesondere im Bereich der Menschenrechte, unterstreicht die Dringlichkeit tiefgreifender Reformen und einer nachhaltigen Personal- und Ressourcenpolitik.
Die Volksanwaltschaft mahnt eindringlich, dass nur durch strukturelle Verbesserungen und politische Prioritätensetzung die Qualität öffentlicher Leistungen sichergestellt und die Rechte der Bürger:innen gewahrt werden können. Ohne eine solche Kurskorrektur drohe langfristig ein Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit des Staates.
Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦
Fehler- und Korrekturhinweise
Wenn Sie einen Fehler entdecken, der Ihrer Meinung nach korrigiert werden sollte, teilen Sie ihn uns bitte mit, indem Sie an intern@mittellaendische.ch schreiben. Wir sind bestrebt, eventuelle Fehler zeitnah zu korrigieren, und Ihre Mitarbeit erleichtert uns diesen Prozess erheblich. Bitte geben Sie in Ihrer E-Mail die folgenden Informationen sachlich an:
- Ort des Fehlers: Geben Sie uns die genaue URL/Webadresse an, unter der Sie den Fehler gefunden haben.
- Beschreibung des Fehlers: Teilen Sie uns bitte präzise mit, welche Angaben oder Textpassagen Ihrer Meinung nach korrigiert werden sollten und auf welche Weise. Wir sind offen für Ihre sinnvollen Vorschläge.
- Belege: Idealerweise fügen Sie Ihrer Nachricht Belege für Ihre Aussagen hinzu, wie beispielsweise Webadressen. Das erleichtert es uns, Ihre Fehler- oder Korrekturhinweise zu überprüfen und die Korrektur möglichst schnell durchzuführen.
Wir prüfen eingegangene Fehler- und Korrekturhinweise so schnell wie möglich. Vielen Dank für Ihr konstruktives Feedback!
Unterstützen Sie uns jetzt!
Seit unserer Gründung steht die DMZ für freien Zugang zu Informationen für alle – das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Wir möchten, dass jeder Mensch kostenlos faktenbasierte Nachrichten erhält, und zwar wertfrei und ohne störende Unterbrechungen.
Unser Ziel ist es, engagierten und qualitativ hochwertigen Journalismus anzubieten, der für alle frei zugänglich ist, ohne Paywall. Gerade in dieser Zeit der Desinformation und sozialen Medien ist es entscheidend, dass seriöse, faktenbasierte und wissenschaftliche Informationen und Analysen für jedermann verfügbar sind.
Unsere Leserinnen und Leser machen uns besonders. Nur dank Ihnen, unserer Leserschaft, existiert die DMZ. Sie sind unser größter Schatz.
Sie wissen, dass guter Journalismus nicht von selbst entsteht, und dafür sind wir sehr dankbar. Um auch in Zukunft unabhängigen Journalismus anbieten zu können, sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen.
Setzen Sie ein starkes Zeichen für die DMZ und die Zukunft unseres Journalismus. Schon mit einem Beitrag von 5 Euro können Sie einen Unterschied machen und dazu beitragen, dass wir weiterhin frei berichten können.
Jeder Beitrag zählt. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!
Kommentar schreiben