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AT: Nationalrat beschließt Aus für Vollspaltenböden in der Schweinehaltung ab 2034 – Tierschutzgesetz wird repariert

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦

 

Ein Schritt zu mehr Tierwohl mit langen Schatten: Gesetzesnovelle verkürzt Übergangsfristen, lässt aber zentrale Standards offen

 

Wien – Nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs hat der Nationalrat heute die überfällige Reparatur des Tierschutzgesetzes beschlossen. Im Fokus steht das seit 2022 beschlossene Verbot der Schweinehaltung auf unstrukturierten Vollspaltenböden. Die bisherigen Übergangsfristen von 17 Jahren waren laut Gericht nicht sachlich gerechtfertigt. Mit der Novelle, die mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und FPÖ beschlossen wurde, werden die Fristen nun auf neun Jahre verkürzt. Ab dem 1. Juni 2034 dürfen keine Schweine mehr auf reinen Vollspaltenböden gehalten werden – ein Meilenstein, der jedoch viele Fragen offenlässt.

 

Verkürzte Fristen, aber Sonderregelungen für Investoren

Landwirtschaftliche Betriebe erhalten durch die neue gesetzliche Regelung mehr Planungssicherheit – allerdings mit Einschränkungen. Für rund 170 Betriebe, die zwischen Mitte 2018 und Ende 2022 in neue Vollspaltenställe investiert haben, gilt eine verlängerte Übergangsfrist bis 2038. Zudem schreibt das Gesetz bereits ab 2029 erste Verbesserungen wie geringere Besatzdichten und Beschäftigungsmaterial wie Stroh oder Hanf vor. Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) sprach von einem "guten Kompromiss", der Wettbewerbsfähigkeit und Tierschutz vereine.

 

Keine Einigung auf Mindeststandards

Trotz der Fortschritte bleibt ein entscheidender Punkt ungeklärt: Was genau ab 2034 als Mindeststandard für die Schweinehaltung gelten soll, ist nicht definiert. Die Grünen kritisierten diese Leerstelle scharf. „Was passiert nach dem Auslaufen der Übergangsfrist?“, fragte Ralph Schallmeiner (Grüne) und warf der Regierung vor, die Branche im Unklaren zu lassen. Ein von seiner Fraktion eingebrachtes Maßnahmenpaket für mehr Tierwohl – inklusive verpflichtender Kennzeichnung und Förderkriterien – fand keine Mehrheit.

 

FPÖ warnt vor Importen und Bauernsterben

Zustimmung kam zwar auch von der FPÖ, jedoch unter Protest. Man habe "notgedrungen" zugestimmt, so Peter Schmiedlechner (FPÖ), um Rechtssicherheit zu schaffen. Die Freiheitlichen sehen aber gravierende Wettbewerbsnachteile für heimische Betriebe und befürchten ein Bauernsterben zugunsten billiger Fleischimporte aus dem Ausland, wo oft niedrigere Tierschutzstandards gelten. Ein Antrag der FPÖ auf Einführung einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel scheiterte im Plenum.

 

Regierungsparteien betonen Balance zwischen Tierschutz und Versorgungssicherheit

Die ÖVP sieht in der Novelle einen „VfGH-konformen Kompromiss“, der sowohl Rechtssicherheit für Bäuer:innen als auch Versorgungssicherheit für Konsument:innen schafft. „Ohne Reparatur hätte ab Juni 2025 ein Großteil der Schweinehaltung in Österreich illegal sein können“, warnte Josef Hechenberger (ÖVP). Auch SPÖ und NEOS begrüßten die rasche Nachbesserung des Gesetzes und betonten die Notwendigkeit praktikabler Rahmenbedingungen für die kleinstrukturierte österreichische Landwirtschaft.

 

Ab 2027: Neue Debatte über Mindeststandards

Für 2027 kündigte die Regierung eine Evaluierung des Projekts „IBeStPlus“ an, das wissenschaftliche Erkenntnisse zur Verbesserung der Schweinemast liefert. Auf Basis dieser Daten sollen dann konkrete Mindeststandards verhandelt werden. Bis dahin bleibt unklar, wie „tiergerechte Haltung“ künftig definiert wird – ein Kritikpunkt, der auch in der Öffentlichkeit auf Resonanz stoßen dürfte.

 

Fazit: Fortschritt mit Lücken

Mit dem heutigen Beschluss wird eine wichtige Lücke im Tierschutzgesetz geschlossen. Das Aus für unstrukturierte Vollspaltenböden ist ein überfälliger Schritt in Richtung artgerechter Tierhaltung. Doch ohne verbindliche Mindeststandards und eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung bleibt der tatsächliche Fortschritt fragil. Der nächste große Wurf für mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung steht damit weiterhin aus.

 

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 


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