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AT: Neue EU-Fiskalregeln seit April 2024: Balanceakt zwischen Disziplin und Reformdynamik

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner

 

Seit dem 30. April 2024 gilt in der Europäischen Union ein überarbeitetes fiskalpolitisches Regelwerk. Die neuen Vorschriften lösen zentrale Teile des bisherigen Stabilitäts- und Wachstumspakts ab, der vor allem wegen seiner Starrheit und mangelnden Anreize für langfristige Investitionen seit Jahren in der Kritik stand. Ziel der Reform ist es, eine tragfähige Haushaltsführung mit der Notwendigkeit wirtschaftlicher Modernisierung zu vereinbaren.

 

Maßgeschneiderte Pfade statt pauschaler Vorgaben

Im Zentrum der neuen Regeln stehen sogenannte „länderspezifische Ausgabenpfade“. Diese berücksichtigen stärker als bisher die individuellen wirtschaftlichen Ausgangslagen der Mitgliedstaaten und werden jeweils durch mittelfristige Struktur- und Investitionspläne flankiert. Mitgliedstaaten verpflichten sich damit zu einem realistischen, aber verbindlichen Konsolidierungsverlauf.

 

Wird der vereinbarte Pfad nicht eingehalten, sind spürbare Konsequenzen vorgesehen. Neben finanziellen Sanktionen droht auch eine Prüfung durch die Europäische Investitionsbank, was zusätzliche politische Reputationskosten nach sich ziehen könnte. Die Kommission verspricht sich davon mehr Verbindlichkeit bei gleichzeitiger Förderung von Zukunftsinvestitionen, etwa in Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung.

 

Österreich unter Zugzwang

Für Österreich bringt das neue Regelwerk gleich in mehrfacher Hinsicht Herausforderungen mit sich. Bislang hat die Bundesregierung noch keinen konkreten mittelfristigen Ausgaben- und Reformpfad bei der EU-Kommission eingereicht – ein Versäumnis, das Brüssel mit wachsender Skepsis beobachtet. Sollte das Land keine ausreichende fiskalische Kurskorrektur vornehmen, droht im Extremfall ein Defizitverfahren.

 

Die politische Brisanz dürfte sich im kommenden Jahr weiter verschärfen: Im Herbst 2025 wird eine neu gewählte Bundesregierung erstmals unter den verschärften fiskalpolitischen Rahmenbedingungen agieren müssen. Dann wird sich auch zeigen, ob das neue Regelwerk nicht nur auf dem Papier tragfähig ist, sondern in der Praxis eine Balance zwischen Haushaltsdisziplin und Reformfähigkeit herstellen kann.

 

Mehr Transparenz, aber auch mehr Druck

Ein zentrales Anliegen der Reform war es, das System einfacher und transparenter zu gestalten. Komplexe Berechnungsformeln und unrealistische Sparvorgaben der Vergangenheit sollen nun durch nachvollziehbare Indikatoren und realistische Zielvereinbarungen ersetzt werden. Fachleute begrüßen diesen Schritt, warnen jedoch zugleich vor einer möglichen Politisierung der Umsetzung. Gerade in Wahljahren könnten kurzfristige Interessen langfristige Ziele verdrängen.

 

Die kommenden Monate werden entscheidend sein: Nicht nur Österreich, sondern auch andere Mitgliedstaaten müssen zeigen, dass sie bereit sind, die neuen Regeln mit Leben zu füllen. Europa steht damit erneut an einem finanzpolitischen Scheideweg – zwischen alter Sparlogik und neuer Reformdynamik.

 

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 


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