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Wenn Nähe zur Bedrohung wird – Gedanken über Stalking

DMZ –BLICKWINKEL/ Liselotte Hofer

KOMMENTAR 

 

Stalking – ein Wort, das für viele vielleicht nach übertriebener Aufregung klingt. Nach etwas, das „anderen passiert“. Doch wenn man selbst – auch nur ansatzweise – mit einer solchen Situation konfrontiert wird, verändert sich der Blick. Plötzlich spürt man, wie fragil die eigene Grenze zur Sicherheit sein kann.

 

Ich erinnere mich an eine Begebenheit, die mich bis heute beschäftigt. Ein Bekannter fragte, ob wir uns an einem bestimmten Tag sehen könnten. Ich lehnte freundlich, aber bestimmt ab – ich hatte bereits andere Pläne. Doch er ließ nicht locker. Ob ich dann wenigstens am Abend Zeit hätte? Ich sagte wieder Nein. Doch das Gespräch fühlte sich zunehmend unangenehm an. Nicht bedrohlich – noch nicht. Aber es war, als hätte jemand meine innere Tür einen Spalt weit aufgestoßen, obwohl ich sie gerade erst geschlossen hatte. Ich fühlte mich bedrängt. Es war fast so, als würde jemand meine Grenzen absichtlich ignorieren.

 

Er hat mich nicht verfolgt. Es kam zu keinem weiteren Kontakt. Und doch blieb ein schales Gefühl zurück. Denn genau hier liegt das Problem: Stalking beginnt oft nicht spektakulär. Es beginnt leise. Mit einem Nein, das nicht akzeptiert wird. Mit einer Botschaft, die immer wieder geschickt wird. Mit einer Präsenz, die nicht weicht – obwohl sie nicht gewollt ist.

 

Wer macht so etwas – und warum?

Die Motive hinter Stalking sind unterschiedlich. Oft spielen Besitzdenken, Eifersucht, Kontrollbedürfnis oder der Wunsch nach Macht eine Rolle. Es kann sich um Ex-Partner handeln, um Arbeitskollegen, Nachbarn, frühere Bekannte oder auch völlig fremde Personen. Die Täter suchen Kontakt – und sie geben nicht auf, selbst wenn ihnen deutlich gemacht wird, dass ihr Verhalten unerwünscht ist.

 

Und wer ist das Opfer?

Jede und jeder kann es sein. Es trifft nicht nur Prominente. Es kann jede Person treffen, die Grenzen setzt – und dann erleben muss, dass diese Grenzen nicht akzeptiert werden. Stalking ist kein Kavaliersdelikt. Es ist ein ernstzunehmender Eingriff in das Leben, in die Freiheit, in die seelische Unversehrtheit. Die Folgen können gravierend sein: Schlaflosigkeit, Angstzustände, sozialer Rückzug, das Gefühl, nirgendwo mehr sicher zu sein. Nicht selten geraten Betroffene an den Rand ihrer Kräfte – psychisch, beruflich, finanziell.

 

Wo beginnt Stalking?

Der Begriff stammt aus dem Englischen „to stalk“ – und bedeutet so viel wie sich anschleichen, anpirschen. Ursprünglich aus der Jagdsprache kommend, beschreibt er heute ein Verhalten, bei dem jemand wiederholt versucht, sich einer anderen Person gegen deren Willen zu nähern. Es beginnt mit Nachrichten. Dann vielleicht mit zufälligen Begegnungen. Dann mit Präsenz vor der Wohnung, auf der Arbeit, im Internet. Immer wieder. Immer weiter. Immer zu nah.

 

Ein überfälliger Schritt in der Schweiz

Bisher war es in der Schweiz juristisch schwierig, Stalking klar zu erfassen. Einzelne Handlungen wie Drohungen oder Hausfriedensbruch konnten zwar verfolgt werden, aber das typische, wiederholte Muster blieb oft straflos. Das soll sich nun ändern: Der Nationalrat hat beschlossen, Stalking als eigenen Straftatbestand ins Strafgesetzbuch aufzunehmen.

 

Konkret bedeutet das: Wer eine Person beharrlich verfolgt, belästigt oder bedroht und dadurch ihre Lebensgestaltung einschränkt, soll mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe rechnen müssen. Das ist nicht nur ein rechtlicher Fortschritt. Es ist ein wichtiges Signal an alle, die betroffen sind – und sich bisher vielleicht machtlos fühlten. Und es ist eine klare Botschaft an jene, die glauben, sie dürften andere Menschen mit ihrem Verhalten vereinnahmen, kontrollieren oder einschüchtern.

 

Ernst nehmen, was sich falsch anfühlt

Was mir damals passiert ist, war kein Fall für die Polizei. Aber es war ein Moment, in dem mir klar wurde, wie schnell sich etwas kippen kann. Und wie wichtig es ist, auf das eigene Gefühl zu hören. Stalking beginnt nicht erst mit der ersten Drohung.

 

Es beginnt dort, wo ein Nein nicht mehr zählt. Wo Nähe zur Bedrohung wird. Und wo es Zeit ist, sich zu wehren – mit Worten, mit Hilfe, und hoffentlich bald mit einem besseren Schutz durch das Gesetz.

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