
DMZ – POLITIK ¦ Lena Wallner ¦
KOMMENTAR
Der Tod von Papst Franziskus hat weltweit Trauer ausgelöst. Auch der argentinische Präsident Javier Milei kündigte an, an der Beisetzung des Oberhaupts der katholischen Kirche in Rom teilzunehmen – ein Schritt, der bei vielen auf Verwunderung stößt. Denn Milei war es, der Franziskus in der Vergangenheit mit vulgärsten Beschimpfungen belegte, ihn unter anderem als „H***sohn“, „Schwachkopf“ und sogar als „Repräsentanten des Teufels auf Erden“ bezeichnete. Seine Begründung: Der Papst setze sich zu sehr für Arme und soziale Gerechtigkeit ein – für Milei, der sich offen gegen staatliche Umverteilung stellt, ein Affront.
Mileis verbale Entgleisungen gegen den Papst stehen beispielhaft für eine Rhetorik, die in rechtslibertären und rechtspopulistischen Kreisen zunehmend salonfähig wird. In einer Welt, in der Autoritätspersonen wie Papst Franziskus mit moralischen Appellen für Gerechtigkeit und Empathie eintreten, wird deren Einfluss von jenen infrage gestellt, die staatliche Solidarität als Schwäche brandmarken. Die Instrumentalisierung religiöser oder humanistischer Autoritäten durch Politiker wie Milei ist kein Einzelfall – sie offenbart vielmehr ein Muster, das sich weltweit beobachten lässt.
Parallelen zu Trump, Bolsonaro & Co.
Vergleiche mit anderen rechtspopulistischen Führungspersönlichkeiten drängen sich auf. Donald Trump etwa ging während seiner Präsidentschaft immer wieder auf Konfrontationskurs mit Papst Franziskus, als dieser ihn für seine Migrationspolitik kritisierte. Auch der ehemalige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro äußerte sich wiederholt abschätzig über Franziskus, insbesondere wegen dessen Umwelt-Enzyklika Laudato Si’ und dessen Einsatz für indigene Völker.
Wie bei Milei zeigt sich auch bei diesen Politikern ein duales Muster: Zunächst werden missliebige Stimmen mit drastischer Sprache delegitimiert – oft bis hin zur persönlichen Beleidigung. Später, wenn politische Umstände oder öffentlicher Druck es erfordern, erfolgt eine scheinbare Mäßigung, oft ohne glaubwürdige Aufarbeitung früherer Aussagen.
Die politische Wende – Kalkül oder Reue?
In Mileis Fall kam der rhetorische Schwenk nach seinem Amtsantritt und einem Besuch im Vatikan. Plötzlich sprach er von einem „herzlichen Gespräch“ mit Franziskus und bezeichnete ihre Beziehung als „positiv“. Eine Kehrtwende, die mehr als nur taktisch erscheint – sie ist auch ein Beleg dafür, wie flexibel die Ideologie autoritärer Populisten sein kann, wenn es der Machtsicherung dient.
Dass Milei nun dem Begräbnis des Papstes beiwohnt, mag auf den ersten Blick als versöhnliches Zeichen erscheinen. Doch es wirft auch eine grundsätzliche Frage auf: Wie glaubwürdig ist ein Politiker, der erst in den höchsten Tönen beleidigt und später um die versöhnende Geste bemüht ist – ohne sich jemals ausdrücklich und öffentlich zu entschuldigen?
Fazit: Mehr als ein Einzelfall
Mileis Verhalten ist kein isolierter Ausrutscher, sondern ein weiteres Beispiel für die politische Instrumentalisierung von Religion, Moral und öffentlicher Erinnerung durch rechtslibertäre Kräfte. Während sich die Öffentlichkeit mit dem Widerspruch zwischen früheren Beschimpfungen und gegenwärtiger Trauer beschäftigt, zeigt sich eine zentrale Gefahr: Wenn politische Kommunikation zum strategischen Spiel wird, in dem Haltung durch Opportunismus ersetzt wird, verliert die Demokratie einen ihrer wichtigsten Werte – die Glaubwürdigkeit.
Papst Franziskus, der stets für die Schwächsten eintrat, wird vielerorts aufrichtig betrauert. Ob Javier Mileis Trauer dazugehört, muss sich daran messen lassen, ob er künftig auch dessen Werte verteidigt – und nicht nur dessen Begräbnis besucht.
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