
DMZ – POLITIK ¦ Anton Aeberhard ¦
Der plötzliche Rückzug der USA aus der Entwicklungshilfe hat gravierende Folgen für einige der ärmsten Regionen der Welt. Während Entscheidungsträger in Washington versichern, dass dieser Schritt keine unmittelbaren Todesopfer fordern werde, zeichnet sich in Ländern wie dem Südsudan bereits eine dramatische Notlage ab. Besonders betroffen sind Programme zur Bekämpfung von HIV, Malaria und Unterernährung – mit verheerenden Konsequenzen für die betroffenen Menschen.
Ein lebensrettendes Programm wird eingestellt
Ein besonders schmerzlicher Einschnitt betrifft das President's Emergency Plan for AIDS Relief (PEPFAR), eines der erfolgreichsten US-Hilfsprogramme der letzten Jahrzehnte. Unter der Regierung von George W. Bush ins Leben gerufen, hat es Millionen Menschen mit kostenlosen HIV-Medikamenten versorgt. Doch nun stehen viele Kranke vor einer existenziellen Bedrohung: Ohne die lebensnotwendigen Medikamente steigt die Sterblichkeitsrate drastisch.
Eines der vielen Schicksale, die diese Entwicklung verdeutlichen, ist das des zehnjährigen Peter Donde aus dem Südsudan. Seit seiner Geburt mit HIV infiziert, konnte er dank der medikamentösen Behandlung bislang ein weitgehend normales Leben führen. Doch nachdem die Unterstützung im Januar eingestellt wurde, erhielt er keine weiteren Medikamente mehr. Im Februar starb er an einer Lungenentzündung – eine direkte Folge seines geschwächten Immunsystems. Sein ehemaliger Betreuer, der Gesundheitshelfer Moses Okeny Labani, bringt es auf den Punkt: „Wenn USAID noch hier wäre, würde Peter noch leben.“
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Laut Center for Global Development könnte der Wegfall der US-Hilfe dazu führen, dass weltweit innerhalb eines Jahres bis zu 1,65 Millionen Menschen an den Folgen von HIV und anderen behandelbaren Krankheiten sterben.
Unaufhaltsame Tragödie
Auch die achtjährige Achol Deng, die ebenfalls mit HIV geboren wurde, ist eine der vielen, die nicht rechtzeitig Hilfe erhielten. Als sie im Januar ihre Patientenausweiskarte verlor, fehlten bereits die Sozialarbeiter, die ihr eine neue ausstellen konnten. Ohne Medikamente wurde sie krank – und starb wenige Wochen später.
Die Liste der Tragödien ist lang. Jennifer Inyaa (35) und ihr fünfjähriger Sohn Evan Anzoo verloren ihr Leben, nachdem auch für sie die Versorgung abrupt endete. Die Gesundheitshelferin Margret Amjuma warnt: „In den kommenden Wochen werden viele weitere Kinder sterben.“
Doch HIV ist nicht die einzige Bedrohung. Auch die Bekämpfung von Polio, Tuberkulose und Malaria steht vor dem Zusammenbruch. Fachleute warnen, dass allein durch das Ende der US-Finanzierung für die weltweite Polio-Bekämpfung jährlich bis zu 200.000 neue Fälle auftreten könnten. Gleichzeitig werden lebenswichtige Ernährungsprogramme eingestellt, was insbesondere in Krisengebieten wie dem Südsudan dazu führt, dass zehntausende Kinder unter akuter Mangelernährung leiden.
Besonders dramatisch ist zudem die Situation für Opfer sexueller Gewalt. Ohne finanzielle Mittel wurden Programme zur medizinischen Versorgung eingestellt – für die Betroffenen ein Schlag ins Gesicht.
Globale Auswirkungen – und eine unbeantwortete Frage
Der US-Hilfsstopp hat nicht nur humanitäre, sondern auch geopolitische Konsequenzen. Während die USA ihren Einfluss in Entwicklungsländern verlieren, baut China seine Präsenz dort aus. Langfristig könnte dies auch sicherheitspolitische Risiken für die Vereinigten Staaten mit sich bringen.
Doch abgesehen von strategischen Überlegungen bleibt eine zentrale moralische Frage: Wie groß ist die Verantwortung der USA für das Leid, das dieser Rückzug verursacht? Mit verhältnismäßig geringen Investitionen könnten sie Millionen Menschenleben retten. Stattdessen wird das Ende von PEPFAR und anderen Hilfsprogrammen für viele Betroffene zur Todesfalle.
Die Gesundheitshelferin Angelina Doki, die selbst HIV-positiv ist, bringt die Situation auf den Punkt: „Wir könnten sie retten. Aber stattdessen lassen wir sie sterben.“
Während in Washington über politische Prioritäten debattiert wird, bleibt für die Menschen im Südsudan keine Zeit mehr. Für viele ist die Katastrophe bereits Realität.
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