
DMZ – POLITIK ¦ Lena Wallner ¦
Die wissenschaftliche Landschaft der Vereinigten Staaten erlebt derzeit eine tiefgreifende Verunsicherung. Angesichts von Budgetkürzungen, Jobverlusten und einer zunehmend wissenschaftsfeindlichen Rhetorik unter der Administration des ehemaligen Präsidenten Donald Trump denken viele Forscherinnen und Forscher darüber nach, das Land zu verlassen. Europa, Australien und Asien gelten als mögliche Alternativen für eine Zukunft in der Forschung.
Kürzungen mit weitreichenden Folgen
Seit dem Amtsantritt Trumps im Januar 2017 wurden Tausende Stellen in zentralen Behörden des Gesundheits- und Wissenschaftssektors gestrichen, Forschungsgelder eingefroren und finanzielle Mittel für Projekte, die nicht mit den politischen Prioritäten der Regierung übereinstimmen, gekürzt. Besonders betroffen ist die biomedizinische Forschung, aber auch zahlreiche weitere Disziplinen spüren die Auswirkungen der Sparmaßnahmen.
Eine Postdoktorandin im Bereich Krebs- und Genomforschung, die anonym bleiben möchte, beschreibt die Situation als zunehmend belastend: „Ich bin mit Leidenschaft bei der Sache, aber die Umstände in den USA machen die Arbeit extrem stressig.“ Die aus Südasien stammende Wissenschaftlerin lebt seit vier Jahren in den Vereinigten Staaten, sieht ihre Zukunft nun jedoch in Europa. Besonders beunruhigt sie die Unsicherheit im Zusammenhang mit Einwanderungspolitiken, einschließlich der diskutierten Reisebeschränkungen für bestimmte Länder.
Forscher auf der Suche nach Alternativen
Auch etablierte Wissenschaftler sehen sich gezwungen, ihre Karrierepläne zu überdenken. Ein angesehener Virologe, der sowohl die US-amerikanische als auch eine EU-Staatsbürgerschaft besitzt, plant, in den kommenden Monaten nach Europa zurückzukehren. In den vergangenen 15 Jahren hatte er noch nie ernsthaft darüber nachgedacht, die Vereinigten Staaten zu verlassen. Doch nun steht er vor der schwierigen Entscheidung zwischen dem Verbleib und dem kämpferischen Widerstand oder dem persönlichen Wohl und dem Fortbestand seiner Forschung. „Ich muss abwägen, was für mich, meine Familie, mein Labor und meine wissenschaftliche Arbeit am besten ist“, erklärt er.
Er nennt als Hauptgründe für seinen Entschluss die zunehmende Wissenschaftsfeindlichkeit innerhalb der Regierung, einschneidende personelle Veränderungen an zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen sowie die unsichere Zukunft der Forschungsfinanzierung im Bereich der Infektionskrankheiten. Gleichzeitig betont er, dass ein Wechsel nach Europa finanzielle Kompromisse mit sich bringen würde, da die Gehaltsstrukturen dort in vielen Fällen weniger attraktiv seien als in den USA.
Die Zukunft der Wissenschaft in den USA
Madhukar Pai, Tuberkuloseforscher an der McGill University in Montreal, Kanada, berichtet von zahlreichen Anfragen besorgter US-Kollegen, die nach Jobmöglichkeiten suchen oder Rat einholen wollen. „Die Verzweiflung ist greifbar und es ist traurig, das mitanzusehen“, sagt er.
Die anhaltende Unsicherheit wirft grundlegende Fragen zur Zukunft der Vereinigten Staaten als Wissenschaftsstandort auf. Werden die USA ihre führende Rolle in der internationalen Forschung beibehalten können, wenn hochqualifizierte Experten in zunehmendem Maße das Land verlassen? Die Entscheidung vieler Forscher, ihre Karriere anderswo fortzusetzen, könnte langfristige Auswirkungen auf die Innovationskraft und den wissenschaftlichen Fortschritt des Landes haben.
Während einige Wissenschaftler darauf setzen, dass sich die Lage nach einem Regierungswechsel verbessert, planen andere bereits aktiv ihren Weggang. Ob und in welchem Umfang sich dieser Brain-Drain weiterentwickelt, bleibt abzuwarten – doch die Signale aus der wissenschaftlichen Gemeinschaft sind eindeutig: Die aktuellen Bedingungen in den USA setzen die Forschung unter erheblichen Druck.
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