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Die Schweiz zwischen Neutralitätsmythos und sicherheitspolitischer Realität

DMZ –  POLITIK ¦ Lena Wallner ¦         

 

Europa rüstet auf. Angesichts wachsender geopolitischer Bedrohungen stellen viele Staaten ihre Verteidigungsstrategie auf den Prüfstand. Die EU lässt sich ihre militärische Stärkung bis 2030 rund 800 Milliarden Euro kosten, die NATO-Staaten setzen konsequent auf die Zwei-Prozent-Zielmarke für Verteidigungsausgaben. Und die Schweiz? Sie bleibt ihrem sicherheitspolitischen Zögern treu. Zwar soll das Verteidigungsbudget bis 2032 auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen, doch im europäischen Vergleich wirkt das wie ein Relikt vergangener Zeiten.

 

Steht die Schweiz sicherheitspolitisch am Rand Europas?

Wirtschaftlich eng mit der EU verflochten, profitiert die Schweiz indirekt auch sicherheitspolitisch von deren Strukturen – ohne selbst substanzielle Beiträge zu leisten. Dieses "Trittbrettfahrer-Modell" wird in Europa zunehmend kritisch gesehen. Kann sich die Schweiz dauerhaft auf diese Sonderstellung verlassen, wenn der sicherheitspolitische Kurs ringsum radikal angepasst wird?

 

In der Debatte kommt immer wieder das Argument der Neutralität auf. Jahrzehntelang galt sie als Schutzschild des Landes. Doch hat dieser Status im 21. Jahrhundert noch dieselbe Bedeutung?

 

Neutralität: Prinzip oder bequeme Ausrede?

Historisch betrachtet war die schweizerische Neutralität oft eher pragmatisches Kalkül als unumstößliches Prinzip. Im Zweiten Weltkrieg etwa hielten Schweizer Banken ihre Dienste für NS-Deutschland offen, während sich das Land militärisch bedeckt hielt. Im Kalten Krieg näherte man sich wirtschaftlich dem Westen an, doch ohne die militärischen Verpflichtungen der NATO.

 

Auch in der Gegenwart zeigt sich diese Linie: Nach der russischen Invasion in die Ukraine übernahm die Schweiz zwar EU-Sanktionen – aber erst nach massivem internationalen Druck. Waffenlieferungen an die Ukraine bleiben tabu. Damit stellt sich die Frage: Ist Neutralität in der heutigen Welt eine Haltung der Verantwortung oder der bequemen Passivität?

 

Steigender Druck, aber wenig Bewegung

Innerhalb der Schweiz gibt es durchaus Stimmen, die eine sicherheitspolitische Neuausrichtung fordern. Doch die Debatte bleibt oft abstrakt. Die Angst vor einem Bruch mit der eigenen Tradition wiegt schwerer als die Anerkennung geopolitischer Realitäten.

 

Doch was bedeutet das langfristig? Sollte sich die europäische Sicherheitsarchitektur weiterentwickeln, ohne dass die Schweiz ihre Position anpasst, könnte das Land zunehmend isoliert dastehen. Diplomatische Spannungen, wirtschaftliche Nachteile oder eine sicherheitspolitische Verwundbarkeit sind keine unrealistischen Szenarien.

 

Die zentrale Frage bleibt also: Setzt die Schweiz weiterhin auf eine Neutralität, die in einer sich wandelnden Welt zunehmend fragwürdig erscheint, oder wagt sie den Schritt in eine sicherheitspolitische Mitverantwortung? Die kommenden Jahre werden zeigen, ob das Land an einem Mythos festhält – oder den Mut zur strategischen Erneuerung aufbringt.


 

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