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Meine Zwänge: Ein Leben zwischen Angst und Musik

DMZ –  GESELLSCHAFT / Liselotte Hofer ¦  

 

Zwangsstörungen sind eine oft missverstandene und unterschätzte psychische Erkrankung, die das Leben der Betroffenen erheblich beeinflussen kann. Diese Störungen, die durch wiederkehrende, unerwünschte Gedanken und Handlungen gekennzeichnet sind, betreffen Millionen von Menschen weltweit. In diesem Artikel berichtet ein Betroffener über seine persönlichen Erfahrungen mit Zwangsstörungen, die ihn seit seiner Kindheit begleiten. Er erzählt, wie die Musik ihm hilft, seinen Alltag zu bewältigen und gibt Einblicke in die Herausforderungen und Bewältigungsstrategien im Umgang mit seinen Zwängen.

 

Bericht eines betroffenen Menschen

Seit meiner Kindheit leide ich an Zwängen. Diese ständige innere Unruhe begleitet mich schon, seit ich mich erinnern kann, und beeinflusst mein tägliches Leben. Schon als kleines Kind verspürte ich den Drang, meine Eltern ständig anzusprechen, zu reden und zu reden. Manchmal hörten sie zu, manchmal auch nicht. Ich rief oft laut: „Schließt bitte die Fenster!“ oder „Guckt nach, ob kein Gas durchs Haus strömt!“ Diese ständigen Warnungen wirkten auf andere seltsam, doch für mich waren sie überlebenswichtig. Ich wollte meine Familie vor Gefahren schützen, die nur in meinem Kopf existierten.

 

Was sind Zwangsstörungen?

Zwangsstörungen, auch als Obsessive-Compulsive Disorder (OCD) bekannt, sind psychische Erkrankungen, die durch wiederkehrende, unerwünschte Gedanken (Zwänge) und/oder Handlungen (Rituale) gekennzeichnet sind. Betroffene fühlen sich oft gezwungen, bestimmte Rituale oder Verhaltensweisen auszuführen, um ihre Ängste zu lindern. Diese Störungen können das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen und sind oft mit hohem Stress und Angst verbunden. Experten schätzen, dass etwa 2 bis 3 Prozent der Bevölkerung an Zwangsstörungen leiden.

 

Ich hatte tausend Ängste und war ein ängstliches Kind. Mein Bruder hingegen war anders. Er war sportlich und ist es bis heute. Sport war sein Ventil, seine Flucht aus dem Alltag. Ich fand meinen Ausweg in der Musik. Seit Generationen spielt Musik eine zentrale Rolle in meiner Familie. Sie ist unser Lebenselixier, das uns Kraft und Freude gibt. Unser Haus war immer voller Musik – doch jetzt, da ich ausgezogen bin, schaffe ich meine eigene musikalische Welt zu Hause.

 

Musik gibt mir die Kraft, meinen Zwängen zu begegnen. Jeden Tag beginne ich mit Musik. Diese tägliche Routine hilft mir, den Stress abzubauen, der mir den Schlaf raubt und mir Kopfschmerzen bereitet. Der Stress manifestiert sich oft in körperlichen Schmerzen, und die Musik wird zu meinem Heilmittel.

 

Doch es ist nicht nur die Musik, die mir hilft. Atemübungen und bewusste Entspannung sind ebenfalls wichtige Strategien, um den Zwängen entgegenzuwirken. Durch kontrollierte Atmung versuche ich, die Kontrolle über meinen Körper und Geist zurückzugewinnen. Jeder Tag ist ein neuer Kampf, aber auch eine neue Chance, mit meinen Zwängen umzugehen und ein Stück Normalität zu finden.

 

 

Die Zwänge sind ein ständiger Begleiter, aber ich habe gelernt, mit ihnen zu leben. Die Musik bleibt dabei mein treuer Verbündeter, eine Konstante in einem Leben voller Unsicherheiten. Sie gibt mir Halt und hilft mir, den Herausforderungen des Alltags zu begegnen. Jeder Ton, jede Melodie ist ein Schritt in Richtung Freiheit – eine Freiheit, die ich mir jeden Tag aufs Neue erkämpfe.

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