Quelle ist nicht gleich Quelle

DMZ –  KULTUR ¦ Urs Heinz Aerni ¦            

 

«Die sind immer an diesen Gerätchen», meint ein älterer Mann neben mir an der Bushaltestelle mit Blick auf die jungen Leute, die alle ausnahmslos auf ihre Handys sehen.

 

Nur, Gerät ist nicht Gerät. Genauso der Computer: «Die sitzt ja immer am PC.» Aber was macht denn die am PC? Spielen, einen architektonischen Plan zeichnen, eine Buchkritik lesen, die Kündigung an den Telefonanbieter schreiben, nachsehen, was heute am Abend im Theater gespielt wird? Sie sitzt nicht am PC weil sie am PC sitzen möchte.

 

Bleiben wir bei den Leuten am Handy. Der eine sieht nach, wann der nächste Bus fährt. Der Nachbar möchte wissen, was der FC Fislisbach spielte. Die junge Frau teilt ihrem Freund mit, wo sie sich zum Pizzaessen treffen. Die Smartphones vereinigen unglaublich viele Funktionen, deshalb ist die Form des Zugangs nicht das Medium selbst. Anderes Beispiel. «Im Fernsehen wurde gesagt, dass…»

 

Nun wer hat auf welchem Sender das gesagt? Es macht wohl in der Glaubwürdigkeit der Aussage einen Unterschied, ob es ein Spaßvogel auf Super RTL war oder der Korrespondent in der Tagesschau auf SRF oder ein Wissenschaftler in einer Dokumentation auf 3sat. Oder «in der Zeitung las ich, dass…» Ja schon, doch war’s im Witzteil, im Kulturteil, ein Leserbrief oder eine Zeugenaussage im Boulevardblatt? Verlieren wir die Differenzierung nur weil sich die Medien ändern? Die Vermengung zwischen Plattform und Medium mit Quelle kann irrendführend sein.

 

Nicht Youtube präsentiert das Katzenfilmchen, sondern Heidi Emmenegger aus Ottenbach zum Beispiel. Youtube als Quelle anzugeben, geht nicht, genau so wenig das Internet. Das World Wide Web ist eine Plattform und kein Medium mit einer verantwortlichen Redaktion.

 

Genauso, wie der Verfassende eines Textes eine Verantwortung trägt, tut dies der Konsumierende mit der anschliessenden Beurteilung und Weiterleitung. Das Internet macht alles schneller, agiler und virulenter aber der Umgang mit Inhalten bleibt der gleiche; Die Quelleangabe wird immer relevanter sein, als der Ort. Oder verwenden wir die Straße als Quelle für den Tratsch im Dorf?

 

Der passende Buchtipp: „Wir informieren uns zu Tode“ von Gerald Hüther und Robert Burdy, Herder Verlag 

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