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AT: Informationsfreiheitsgesetz in Österreich: Diskussion über Transparenz und Herausforderungen

Podiumsdiskussion Staat und Information - Zwischen Freiheit und Schutz der Rechte - Copyright: Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser
Podiumsdiskussion Staat und Information - Zwischen Freiheit und Schutz der Rechte - Copyright: Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦                               Podiumsdiskussion Staat und Information - Zwischen Freiheit und Schutz der Rechte - Copyright: Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser     

 

Podiumsdiskussion im Parlament zum Thema Informationsfreiheit: Experten erwarten mehr Transparenz, Edtstadler in Bezug auf nötige Zweidrittelmehrheit für Regierungsentwurf zuversichtlich

 

Wien – In Österreich wird seit Jahren über die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit und die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes debattiert. Obwohl die Verfassung seit 1988 eine Auskunftspflicht der Verwaltung vorsieht, stoßen Journalisten und Bürger in der Praxis auf Hindernisse bei Anfragen an Behörden und staatliche Stellen. Zum zweiten Mal seit 2014 liegt nun ein Gesetzesvorschlag der Regierung im Parlament, der staatliche Organe zur proaktiven Veröffentlichung von Informationen von öffentlichem Interesse verpflichten und ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Informationsrecht für Bürger einführen soll (siehe dazu auch Parlamentskorrespondenz Nr. 1091/2023).

 

Die parlamentarischen Beratungen über den Gesetzentwurf haben noch nicht begonnen, aber aufgrund der notwendigen Zweidrittelmehrheit ist die Unterstützung entweder von SPÖ oder FPÖ erforderlich. Die Podiumsdiskussion im Parlament mit dem Titel "Staat und Information – Zwischen Freiheit und Schutz der Rechte" wurde von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka gemeinsam mit dem Österreichischen Juristentag organisiert.

 

Nationalratspräsident Sobotka betonte, dass aufgrund der langen Debatte ein qualitativ hochwertiges Gesetz erwartet wird. Transparenz sei ein wesentlicher Schlüssel, um das Vertrauen der Bürger in den Staat zu stärken und langfristig zu sichern.

 

Edtstadler und Zadić orten Paradigmenwechsel in Richtung Transparenz

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler äußerte Zuversicht bezüglich der notwendigen Zweidrittelmehrheit für das Informationsfreiheitsgesetz. Sie bezeichnete den vorliegenden Regierungsentwurf als "wahren Paradigmenwechsel" und betonte die laufenden Gespräche mit der Opposition. Die Ministerin erklärte die Verzögerung zwischen Begutachtungsentwurf und Regierungsvorlage mit über 200 Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren.

Justizministerin Alma Zadić bezeichnete den Entwurf als "Transparenzturbo", der Österreich in Rankings voranbringen werde. Sie betonte jedoch, dass die Informationspflicht aufgrund von Datenschutz und Schutz der Privatsphäre gewisse Grenzen habe.

 

Prunbauer-Glaser: Juristentag betont Aktualität des Themas

Marcella Prunbauer-Glaser, Präsidentin des Österreichischen Juristentags, hob die Aktualität des Themas hervor. Sie betonte, dass der Juristentag seit jeher Impulse für die Rechtsfortentwicklung setzen möchte. Prunbauer-Glaser äußerte Unzufriedenheit mit der aktuellen Auskunftspraxis staatlicher Stellen und merkte an, dass trotz wiederholter Ankündigungen das Amtsgeheimnis noch nicht abgeschafft sei.

 

Hametner erwartet Verbesserungen

Markus Hametner, Vorstandsmitglied im Forum Informationsfreiheit, erklärte, dass Österreich in Bezug auf Transparenz noch viel Luft nach oben habe. Er erwartet durch den vorliegenden Entwurf Verbesserungen, insbesondere in Bezug auf den Zugang zu Informationen von staatlichen Unternehmen. Jedoch merkte er an, dass es weiterhin Probleme gebe, insbesondere bei der Verzögerung von Informationen durch Behörden.

 

Wendehorst: Datenschutz als neues Amtsgeheimnis?

Die Rechtswissenschaftlerin Christiane Wendehorst, Professorin für Zivilrecht an der Universität Wien, begrüßte den Gesetzentwurf, warnte jedoch vor einer möglichen Entwicklung, bei der Datenschutz das neue Amtsgeheimnis wird. Sie betonte, dass wichtige Schutzgüter wie das Privatleben im Gesetz selbst stärker verankert werden sollten, da sie in den Erläuterungen zwar erwähnt, aber nicht im Gesetz selbst ausreichend berücksichtigt seien.

 

Reindl-Krauskopf: Systematische Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen wichtig

Susanne Reindl-Krauskopf, Leiterin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien, unterstrich die Bedeutung des Gesetzes für die systematische Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen. Sie betonte, dass alle Entscheidungen von Rechtsmittelgerichten systematisch veröffentlicht werden sollten, um eine Lücke zu schließen. Reindl-Krauskopf wies darauf hin, dass künstliche Intelligenz möglicherweise bei der Ressourcenintensiven Veröffentlichung von Entscheidungen helfen könnte.

 

Schmid: Städte und Gemeinden nicht gegen Transparenz

Johannes Schmid, Leiter des Fachbereichs "SMART-Cities" im Österreichischen Städtebund, betonte, dass Städte und Gemeinden nicht gegen Transparenz und das Informationsfreiheitsgesetz seien. Er betonte jedoch die Notwendigkeit durchführbarer Vorschriften, die auch auf kommunaler Ebene praxistauglich sind. Ein Problem sieht er darin, dass der Gesetzentwurf einen relativ großen Abwägungsspielraum lasse, während die Regelungen in Deutschland präziser seien.

 

Posch: Gesetz wird nicht ohne Auswirkung bleiben

Albert Posch, Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, betonte, dass das Gesetz nicht ohne Auswirkungen bleiben werde. Er erklärte, dass der Zugang zu Informationen als Regel normiert werde und Geheimhaltung zur Ausnahme werde. Änderungen gegenüber dem Begutachtungsentwurf betreffen unter anderem die proaktive Veröffentlichungspflicht für bestimmte Organe und die Berücksichtigung von Gemeinden bis zu 5.000 Einwohner:innen.

 

Insgesamt bleibt abzuwarten, wie das Gesetz in der Praxis gelebt wird, und ob es den erwarteten Paradigmenwechsel in Richtung Transparenz tatsächlich herbeiführen kann.

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 

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