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MIDEM-Studie: Klare Haltung gegenüber anderen Meinungen ist nicht Intoleranz - Affektive Polarisierung in Deutschland und Europa

DMZ –  WISSENSCHAFT ¦ Lena Wallner ¦                          

 

Die Ergebnisse einer aktuelle Studie zur affektiven Polarisierung in Deutschland und Europa, durchgeführt vom renommierten 'Mercator Forum für Migration und Demokratie' (MIDEM) an der Technischen Universität Dresden, sorgen für eine kontroverse Debatte in den Medien. Die Studie zielt darauf ab, das Ausmaß der emotionalen Ablehnung zwischen Personen mit unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Meinungen zu erfassen und mögliche Zusammenhänge zu analysieren. Allerdings haben einige Medien fälschlicherweise die Schlagzeile verbreitet, dass 'Linke weniger tolerant sind als Rechte'. Doch wie verlässlich sind diese Behauptungen, und was sagen die eigentlichen Forschungsergebnisse aus? Ein genauerer Blick auf die Studie wirft Licht auf die tatsächlichen Befunde und betont die Bedeutung, dieses komplexe Phänomen differenziert zu betrachten.

 

Die Ergebnisse zeigen, dass Deutschland im Gesamtwert der affektiven Polarisierung nahe am europäischen Durchschnitt liegt. Doch insbesondere bei den Themen "Zuwanderung", "Krieg in der Ukraine", "Pandemien wie Covid-19", "Klimawandel", "Sozialleistungen und ihre Finanzierung" sowie "Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft" gibt es eine signifikante Polarisierung.

 

Besonders auffällig ist, dass die Anhänger der AfD in Deutschland die höchste affektive Polarisierung aufweisen, noch vor den Grünen und linken Parteien. Sie bewerten Personen mit abweichenden Meinungen besonders negativ und ihre eigenen Meinungsgenossen besonders positiv. Diese hohe emotionale Spaltung innerhalb der AfD-Anhängerschaft deutet darauf hin, dass ein offener und konstruktiver Dialog zwischen unterschiedlichen politischen Lagern schwierig sein könnte.

 

Neue MIDEM-Studie zeichnet Bild der Konfliktlinien Europas

Wenn sich Personen in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen mit emotionaler Ablehnung begegnen, kann von affektiver Polarisierung gesprochen werden. Das Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM) ist dem themenbezogenen Ausmaß affektiver Polarisierung in Europa in empirischer und vergleichender Perspektive nachgegangen. Die Analyse einer repräsentativen Umfrage in 10 europäischen Ländern zeigt, dass die affektive Polarisierung bei den Themen ‚Klimawandel‘ und ‚Migration‘ am größten ist. Generell sind Linke stärker polarisiert als Rechte. Beim Thema Zuwanderung jedoch zeigen sich Personen, die sich politisch rechts positionieren, stärker affektiv polarisiert.

Die Studie verdeutlicht, dass eine klare Haltung gegenüber anderen Meinungen nicht zwangsläufig Intoleranz bedeutet. Es ist wichtig, die affektive Polarisierung in der Gesellschaft zu analysieren, um den demokratischen Aushandlungsprozess zu fördern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.

In Anbetracht dieser Ergebnisse ist es von entscheidender Bedeutung, dass politische Entscheidungsträger und die Gesellschaft aktiv daran arbeiten, die Polarisierung zu verringern und den demokratischen Diskurs zu fördern. Es ist wichtig, Brücken zu bauen und einen respektvollen Austausch von Meinungen zu ermöglichen, um die gesellschaftliche Kohäsion zu stärken.

 

Die Ergebnisse der Studie sollten als Aufruf verstanden werden, sich mit den Ursachen der hohen affektiven Polarisierung auseinanderzusetzen. Es gilt zu verstehen, welche Faktoren dazu führen, dass bestimmte politische Gruppierungen eine stärkere Neigung zur emotionalen Ablehnung anderer Meinungen zeigen. Diese Erkenntnisse können als Grundlage dienen, um gezielte Maßnahmen zur Förderung des demokratischen Dialogs und zur Reduzierung der Polarisierung zu entwickeln. Eine offene und tolerante Gesellschaft ist von zentraler Bedeutung, um den Herausforderungen unserer Zeit gerecht zu werden. Ein respektvoller Umgang mit unterschiedlichen Meinungen ist grundlegend für eine funktionierende Demokratie.

 

Fazit

Die MIDEM-Studie zur affektiven Polarisierung in Deutschland und Europa zeigt, dass die emotionale Spaltung in der Gesellschaft ein bedeutsames Phänomen ist. Besonders auffällig ist die hohe affektive Polarisierung unter den Anhängern der AfD, noch vor den Grünen und linken Parteien.

 

Dennoch betont die Studie, dass eine klare Haltung gegenüber anderen Meinungen nicht zwangsläufig Intoleranz bedeutet. Es ist entscheidend, die Polarisierung zu verringern und den demokratischen Dialog zu fördern, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.

 

Die Ergebnisse rufen dazu auf, die Ursachen der Polarisierung zu verstehen und gezielte Maßnahmen für einen respektvollen Austausch von Meinungen zu entwickeln. Eine offene und tolerante Gesellschaft ist grundlegend für eine funktionierende Demokratie und eine positive Zukunftsgestaltung.

 

Zur Studie und Methode

 

Die Studie basiert auf einer Umfrage, die in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut YouGov im Herbst 2022 in zehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Schweden, Spanien, Griechenland, Polen, Tschechische Republik und Ungarn) durchgeführt wurde. Rund 20.000 Personen wurden zu folgenden Themen befragt: Zuwanderung, Krieg in der Ukraine, Covid-19-Pandemie, Klimawandel, Sozialleistungen und ihre Finanzierung, Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft und Umgang mit sexuellen Minderheiten. Statt Einstellungsunterschiede zu politischen Themen zu erheben, misst die Studie die emotionale Bewertung von Personengruppen mit entgegengesetzten politischen Ansichten. Dafür wurden Befragte nicht nur hinsichtlich der eigenen Position zu einem Thema befragt, sondern auch ihre Gefühle gegenüber den entgegengesetzten Meinungsgruppen zu einem Thema erfasst. So können Polarisierungsdynamiken analysiert werden, die über sozialstrukturelle Faktoren hinausgehen. „Wir wissen immer noch sehr wenig über die Determinanten und Folgen der affektiven Polarisierung in Europa. Nötig sind Forschungen, die sich mit den spaltenden Wirkungen politischer Themen befassen. Deshalb sind wir sehr dankbar, dass die MIDEM-Studie erste Erkenntnisse geliefert und ein Bild der Polarisierung in Europa gezeichnet hat", erläutert Katja Lenz, Projektmanagerin der Stiftung Mercator.

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