DMZ – BLICKWINKEL ¦ Ruedi Stricker ¦
Nie geschriebenes Protokoll einer Sitzung des Gemeinderats von L.
R. T.: „Wenn Du der Gemeinde die Scheune verkaufst, können wir dafür die Risi einzonen.“
S. B. „Was habe ich davon, wenn die Risi eingezont wird?“
R. T.: „Du nichts, aber der Bänziger.“
S. B.: „Welcher Bänziger?“
R. T.: „Ja, welcher Bänziger wohl, dein Nachbar Bänziger!“
S. B.: „Mit dem will ich nichts zu tun haben. Der hat gegen mein Garageprojekt Einsprache erhoben.“
R. T.: „Eben.“
S. B.: „He?“
R. T.: „Bist du schwer von Begriff? Wenn die Risi eingezont wird, kann Bänziger seine Einsprache zurückziehen. Du bekommst deine Garage und Bänziger seine Tankstelle. Und die Gemeinde endlich diese Scheune.“
S. B.: „Also gut, macht mir ein Angebot. Aber diesmal ein anständiges. Ich gebe doch diese Scheune mit sechs Aren nicht für vierhundertzwanzigtausend.“
R. T.: „Du weisst, dass die Gemeindekasse leer ist.“
E. W. mischt sich ein: „Ich zahl’ dir eine halbe Million für diese Scheune.“
R. T.: „Was willst denn du mit dieser Scheune?“
E. W.: „Einen Erotikladen aufmachen. Mein Schwager sucht schon lange nach einem neuen Standort.“
R. T.: „Das fehlte gerade noch. Ein Puff neben dem Schulhaus. Das werden wir nie bewilligen.“
E. W.: „Bist du sicher? Hast du nicht gerade gesagt, die Gemeindekasse sei leer?“
R. T.: „Was hat denn das damit zu tun?“
E. W.: „Wenn mein Schwager seine Steuern hier zahlt, können wir den Satz grad um ein paar Prozent
herunterfahren. Ich hab’ ihm schon ein Pauschalangebot gemacht.“
K. R. mischt sich ein: „Wenn wir zuviel Geld haben, fliegen wir aus dem Finanzausgleich.“
M. B.: „Vorher erhöhen wir die Kulturausgaben!“
S. B.: „Damit deine Frau noch mehr Förderbeiträge für diese komische Galerie bekommt?“
M. B.: „Wär’s besser, die Gemeinde würde deiner maroden Privatschule noch mehr unter die Arme greifen?“
R. T.: „So hört auf, es geht hier um die Sache. Wo sind wir stehengeblieben?“
E. W.: „Beim Puff. Ich habe aber eine andere Idee: Mein Schwager geht in die Risi und baut gemeinsam mit Bänziger. Benzin und Erotik, das passt zusammen. Und die Gemeinde kauft die Scheune.“
R. T.: „Ja, warum nicht? Darauf hätten wir früher kommen können.“
S. B.: „Und was ist mit mir? Wie viel bekomme ich jetzt für die Scheune?“
R. T.: „Vierhundertzwanzigtausend.“
S. B.: „Dann behalte ich sie.“
R. T. „…und baust deine Garage nicht. Du weisst, dass du den Grenzabstand zum Übrigen Gemeindegebiet verletzt.“
E. W.: „So kommen wir nicht weiter. Ich mache einen Vorschlag: Ich habe meinem Schwager angeboten, pauschal hundertfünfzehntausend Steuern zu zahlen. Ich reduziere das Angebot auf hundert, das macht in den nächsten fünf Jahren fünfundsiebzig weniger, und die gibt er Bollhalder an die Scheune. Ohne Beleg sind die fast hunderttausend wert.“
R. T.: „Heiri, den letzten Satz hast du nicht gehört. Aber die Idee ist genial. Severin, was meinst du zu diesem Vorschlag?“
S. B.: „Wenn das noch mit dem alten Grundgewinnsteuersatz geht, bin ich einverstanden.“
R. T.: „Heiri, du darfst wieder zuhören. Geht das noch mit dem alten Steuersatz?“
H. P.: „Es ist ein Grenzfall. Aber ich kann das mit Köbi klären.“
R. T.: „Wie das? Er ist doch nicht mehr Finanzdirektor?“
H. P.: „Das nicht. Aber Vater einer Tochter, die zu meinem Sohn ans Gymnasium geht und notenmässig auf der Kippe steht.“
R. T.: „Ich glaube, damit hätten wir’s für heute. Oder hat noch jemand was?“
K. R.: „Ja, ihr wisst ja, dass meine Frau den „Hirschen“ übernommen hat. Sie lädt den Rat nach der heutigen Sitzung zu einem Imbiss ein.“
R. T.: „Vielen Dank, die Sitzung ist geschlossen, wir treffen uns um halb zehn im Hirschen. Und du, Hans, rufst zur Sicherheit deinen Onkel an und fragst, ob die Polizei heute Kontrolle macht.“
Ausflugstipps
Unterstützung
Damit wir unabhängig bleiben, Partei für Vergessene ergreifen und für soziale Gerechtigkeit kämpfen können, brauchen wir Sie.
Rezepte
Persönlich - Interviews
Kommentar schreiben