DMZ – BLICKWINKEL ¦ Ruedi Stricker ¦
Wie bereits berichtet, gab der Zustand des Campingplatzes schon früher zu reden. In der letzten Saison eskalierten die Zustände in einem Ausmass, das den Rat zum Erlassen einer Verordnung zwingen wird. Damit sich die Bevölkerung ein Bild von der Situation machen kann, sei nachstehend eine Beschwerde wiedergegeben. Aus Datenschutzgründen sind einige Stellen geschwärzt.
Sehr geehrte Damen und Herren
Meine Bekannten kennen mich als tolerante, aufgeschlossene Person, und niemandem in meinem Umfeld würde es im Traum einfallen, mich als Verpetzerin zu bezeichnen. Aber was ich auf dem Krachenwiler Campingplatz erleben musste, sprengt definitiv jede Toleranzgrenze. Leider haben mein Mann und ich nicht gleich alles aufgeschrieben, aber der nachstehende Auszug aus unserem Tagebuch spricht auch im reduzierten Umfang Bände. Wir hoffen, dass Sie unsere Schilderungen zum Anlass nehmen, die Verhältnisse in diesem Augiasstall einer Überprüfung zu unterziehen.
Dienstag, 22:12 Uhr
Fast eine volle Viertelstunde nach Beginn der offiziellen Nachtruhe schreit eine männliche Stimme im Nachbarzelt (im grünen mit der verschmierten Thurgauerfahne) etwas von zu Hause vergessenen Kondomen und einer Schlampe, die er besser in ihrem asiatischen Bordell gelassen hätte, statt sie zu heiraten. Als ob das nicht genügt hätte, begann in einem anderen Zelt (ich glaube, im dunkelblauen, wo immer dieses riesige Bikini zum Trocknen hing, aber ich bin nicht sicher) eine Frauenstimme zu kreischen, es sei voll chauvinistisch von einem Bünzlischweizer, als Sextourist eine Frau zu importieren und nachts auf dem Zeltplatz betrunken über sie herzufallen, wo doch so viel Neugierige zuhören und sogar Kinder... aber ich will nicht in die Details gehen, uns geht es ums Grundsätzliche, und ich wil auch nicht persönlich werden.
Mittwoch, 07:44 Uhr
Wenn mein Mann es nicht gefilmt hätte, würde ich es nicht glauben: Da klaut doch hier, in einem der reichsten Länder der Welt, ein erwachsener Mann eine Rolle Klopapier. Rein zufälligerweise haben wir dann abends an der Bar die Identität des Täters erfahren. Es handelt sich um Herrn Oberholzer, wohnhaft in Frauenfeld (ich habe immer gesagt, die Thurgauer hätten lange Finger). Falls Sie für weitere Ermittlungen den Film haben möchten, schicken wir Ihnen gern eine Kopie. Achten sie aber bitte auf Diskretion; wir sind friedliebende Menschen und legen keinen Wert auf eine Konfrontation mit einem Verbrecher.
Mittwoch, 23:12 Uhr
Der Typ ist uns schon am Buffet aufgefallen, als er mehreren Damen saufrech ins Dekolleté gaffte. Nach dem Essen verfolgten wir ihn unauffällig bis zu seinem Zelt. Schon nach einer halben Stunde kam er wieder aus dem Zelt, diesmal mit einem Nachtsichtgerät ausgerüstet. Da mein Mann sich wegen seiner ornithologischen Beobachtungen auskennt, konnte er sogar das Modell bestimmen. Wie auch immer: Jedenfalls schleicht dieser Typ während fast einer Stunde im Unterholz hinter den Duschräumen herum und beobachtet da zweifellos Liebespärchen. Wenn wir gewusst hätten, mit was für Saukerlen wir bei Ihnen hätten rechnen müssen, wären wir auch dieses Jahr an die Adria gefahren.
Freitag, 11:25
Erneut wird es unapettitlich. Mein Mann war ahnungslos, aber mir ist der Typ schon am Montag negativ aufgefallen: Kitschiges Goldketteli, todsicher gefälschte Rolex und passende Frisur. Und dann eben dieses T-Shirt. Schon am Montag war’s nicht frisch, aber nun trägt der Mann dieses T-Shirt seit bald einer Woche! Mit diesem Shirt läuft er zwischen Waschraum und Restaurant herum, putzt sich sicher noch die Nase und wer weiss, was sonst. So einer (Oliver Kurz, blond, ca. 55 Jahre alt, rotes Zelt grad bei der Zufahrt, in Begleitung einer abgetakelten Latina; den haben Sie ratzfatz identifiziert für eine Zutrittsverbot) gehört definitiv nicht auf eine Campinganlage.
Mit bestem Gruss
Hildegard Burri
Der Ratsschreiber
Ruedi Stricker
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