DMZ – ARBEITSWELT ¦ Ruedi Stricker ¦
Innovation: Ein positiv belegter Begriff, der in der Umsetzung häufig mit sehr menschlichen Eigenschaften kollidiert. Neues scheitert an Angst vor unbekannten Risiken, Bequemlichkeit oder dem Festhalten an Besitzständen. Wir sprachen mit Jan Fülscher über Theorie und Praxis.
Interview Ruedi Stricker
Herr Fülscher, zuerst zu Ihnen: Was hat Sie dazu bewogen, Ihre Dienstleistung anzubieten?
Für viele Organisationen wäre Innovation zwar wichtig, sie wird aber vermieden: Sie erscheint unklar, kompliziert und riskant. Ich hatte bereits bei Software-Projekten vor über 30 Jahren gelernt: Ein Produkt mag technisch brillant sein und trotzdem kann seine Einführung fehlschlagen. Warum? Diese Frage hat mich fasziniert und auch dazu gebracht, nach den Jahren an der ETH ein Studium der Betriebswirtschaft zu absolvieren. Denn es ist klar: Technische Exzellenz reicht für Erfolg nicht aus.
Nach einigen Stationen im Management Consulting entschied ich mich dann, Innovation in den Kern meiner beruflichen Tätigkeit zu stellen. Dazu engagierte ich mich bei einer Reihe von Startups – denn Startups sind sozusagen die Essenz von Innovation – und befasste mich in Theorie und Praxis mit der Frage, wie man Innovation in Startups zum Erfolg führen kann. Sozusagen nebenbei wurde ich also auch Unternehmer und hatte Mitinhaber- und Führungsaufgaben in rund 15 Firmen.
Bei all diesen Tätigkeiten war und ist meine Mission: Innovation erfolgreich machen, wozu es ganz viele Instrumente gibt.
Was sind die häufigsten Fehler bei der Markteinführung von neuen Produkten und Dienstleistungen?
Innovation gelingt, wenn sie ein genau definiertes Problem einer genau definierten Zielgruppe löst. Und genau bei diesen beiden Punkten sehe ich immer wieder Schwierigkeiten: Die Innovatoren und Gründerinnen versuchen ein perfektes Produkt zu bauen, ohne je mit Kunden gesprochen zu haben. Das funktioniert nicht. Gute Innovation entsteht in Zusammenarbeit mit zahlender Kundschaft. Und das spätere Wachstum – Verkauf an weitere Kunden – ist am einfachsten, wenn das Zielkundensegment am Anfang möglichst genau und möglichst eng definiert ist.
Normalerweise wird vom VR erwartet, dass er sich nicht ins Tagesgeschäft einmischt. Stellt das nicht für Startups eine besondere Herausforderung für die GL dar?
Unbedingt. Bei vielen Startups – aber auch KMUs – sind ja Geschäftsleitung und Verwaltungsrat identisch. Da wird viel Potenzial verschenkt. Denn erfahrene Verwaltungsrätinnen können auch mit wenig Aufwand sehr viel Nutzen erzeugen, indem sie ihre Netzwerke spielen lassen, aber auch Dinge sehen und ansprechen, die im Tagesgeschäft nicht auffallen.
Die Zusammenarbeit mit externen Verwaltungsräten erfordert ausserdem, dass Unternehmen strategische und operative Fragestellungen sauber trennen. Das ist natürlich sehr unbequem: denn Vieles muss nun explizit formuliert werden, was vorher implizit klar war. Doch darin liegt auch eine riesige Chance: Die Annahmen und Ziele der Eigentümerinnen und Eigentümer, wie auch der Firma, werden aktiv formuliert, Inkonsistenzen werden aufgedeckt und Widersprüche werden beseitigt. Das kann sehr wertvoll sein.
P. Drucker hat einmal gesagt, die Trennung zwischen Management und Eigentümerschaft stelle eine grosse Herausforderung dar. Wie sehen Sie das bei einer kleinen Unternehmung?
Bei kleinen wie auch grossen Unternehmen führt die Trennung zwischen Management und Eigentümerschaft zum sogenannten «Principal-Agent-Konflikt»: Die Ziele und Wünsche der Eigentümerinnen und Eigentümer sind nicht selten völlig andere als die der Führungscrew. Die Führungscrew wünscht sich vielleicht Macht, Geld und Sichtbarkeit, während die Eigentümerschaft meist mehr an langfristigen Zielen orientiert ist, z.B. an einer stabilen Wettbewerbsposition, die eine attraktive und langfristig verlässliche Dividendenpolitik erlaubt.
Der Verwaltungsrat muss darum drei Aspekte unter einen Hut bringen: Die Gesamtverantwortung für das Unternehmen, die Ziele der Eigentümerschaft und die Anreizstrukturen für das Management. Daraus ergeben sich nicht selten Zielkonflikte. Das erfordert eine gute Zusammenarbeit mit beiden Anspruchsgruppen, Eigentümerschaft und Management.
Stichwort Kooperation: Würden Sie einem Startup empfehlen, mit etablieren KMU zusammenzuarbeiten? Warum bzw. warum nicht?
Für ein Technologie-Startup ist eine solche Zusammenarbeit eine tolle Chance, sein Produkt in einem realen Kontext einzusetzen und auch weiterzuentwickeln.
Für grössere KMUs ist das umgekehrt ein risikoarmer Weg, neue Technologien zu testen und sie sich anzueignen, ohne gleich die Katze im Sack zu kaufen: Dazu führt das KMU mit dem Startup ein bezahltes Pilotprojekt durch. Wenn dieses erfolgreich verläuft, kann eine vertiefte Kooperation geprüft werden.
Natürlich erfordert eine solche Zusammenarbeit viel Koordination, denn die Erwartungen von Startup und KMU sind häufig sehr unterschiedlich. Es gilt, diese Erwartungen gegenseitig offenzulegen und zu koordinieren.
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Vorstellung Jan Fülscher
Jan Fülscher ist Berater, Coach und Verwaltungsrat. Er berät öffentliche und private Organisationen, wenn es um den Aufbau und die Durchführung von Innovations- und Startup-Programmen geht, unterrichtet an verschiedenen Universitäten zum Thema Entrepreneurship und Innovation und unterstützt Firmen als Coach in den Themenbereichen Gründung, Wachstum und Innnovation.
Seine Ausbildung umfasst einen Master in Betriebswirtschaft von der Universität Zürich mit den Hauptthemen Marketing und Unternehmensführung. Er ist ausserdem zertifizierter Verwaltungsrat und zertifizierter systemischer Coach.
Berufliche Stationen umfassten zunächst Ascom und PriceWaterhouseCoopers; bei letzteren arbeitete er in den 90er Jahren für Konzerne aus der Finanzindustrie im Themenbereich Digitalisierung. Danach machte er sich selbständig und übte eine Vielzahl von Funktionen im Kontext von Startups und Innovation aus. Unter anderem leitete er einen Business Angel Club und gründete einen weiteren.
Er ist verheiratet und lebt in Zürich.
Kontakt: www.janfuelscher.ch / jan@fuelscher.ch
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