DMZ – BLICKWINKEL ¦ Ruedi Stricker ¦
Sehr geehrter Herr Corleone,
Grundsätzlich haben wir uns längst damit abgefunden, dass Sie ausgerechnet hier an der Zürcherstrasse eine sogenannte Cafeteria eröffnet haben. Wir haben als tolerante Schweizer nichts gegen sizilianische Einwanderer, die den alteingesessenen Gastrobetrieben einen Teil des Kuchens streitig machen. Meine Frau kocht jeden Dienstag Spaghetti, und unsere Tochter trägt sich ernsthaft mit dem Gedanken, sich an Weihnachten mit einem Mailänder zu verloben. Dies aber nur nebenbei bzw. zur Entkräftung allfälliger rassistischer Motive für das vorliegende Schreiben.
Worum es mir geht: Wie Sie wissen, führen wir seit Generationen ein beliebtes Restaurant. Wir pflegen eine gutbürgerliche Küche, und unsere Spezialitäten sind weit über die Dorfgrenzen hinaus bekannt. Der Weinkeller ist gut dotiert, das Personal hochmotiviert und äusserst zuvorkommend. Dank guter Auslastung ist es uns auch stets gelungen, die äusserst knappe Kalkulation im Betriebsergebnis doch noch aufzufangen.
Zu unserem Leidwesen mussten wir jedoch feststellen, dass Sie uns mit einer perfiden Strategie gezielt Gäste abwerben. Als Erstes haben Sie eine sündhaft teure Espressomaschine gekauft. Oder vielmehr:
Geleast, gemietet oder irgendwie beschafft. Woher auch soll ein dahergelaufener Secondo das Geld für eine Maschine nehmen, die mehr als ein Kleinwagen kostet? Mit diesem hochglanzpolierten Gerät und dem ebenso teuren Kaffee von Ihrem Schwager haben Sie es fertiggebracht, dass bei uns schon nach kurzer Zeit jeder zweite Gast nicht nur auf den Kaffee verzichtet, sondern gleich nach dem Hauptgang die Rechnung verlangt. Die meisten dieser Leute fahren dann schnurstracks zu Ihnen, um das bei uns genossene Essen mit Ihren Amaretti und Ihrem Espresso abzurunden. Nicht selten dann auch noch mit margenträchtigem Grappa.
Dass Sie uns den grössten Teil des Kaffeeumsatzes geklaut haben, stellt Ihre Gier jedoch nicht zufrieden. Nein, Sie mussten diese Art von unlauterem Wettbewerb noch auf die Spitze treiben. Obwohl Sie nicht einmal eine anständige Fritteuse haben, machen Sie jetzt sogar auf Restaurant und tischen sogenannte Antipasti auf. Dass diese ungesunde «Ernährung» unsere ehemaligen Gäste krank macht, interessiert Sie nicht. Ihnen geht es nur darum, alteingesessenes Gastgewerbe kaputtzumachen. Aber lassen Sie sich eins gesagt sein: Wir lassen uns nicht fertigmachen, und bevor wir Ihrem Schwiegervater auch so eine hochglanzpolierte Espressomaschine abkaufen, schicken wir Ihnen die Lebensmittelkontrolle vorbei. Deren Chef ist nämlich mein Schwiegervater.
Mit freundlichen Grüssen
Kurt Hangartner
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