Schwierige Taufpaten

DMZ –  BLICKWINKEL ¦ Ruedi Stricker ¦                   

 

Nie habe ich behauptet, ein einfaches Kind gewesen zu sein. Aber meine Taufpaten waren es auch nicht.

 

Fangen wir beim weiblichen Exemplar an. Eines Tages beging ich den Fauxpas, sie als unschön, also als «wüescht» zu bezeichnen. Das war nicht nett, aber von uns wurde ja auch verlangt, ehrlich zu sein. Und mit ihr ging das einfach nicht. Jedenfalls trug man mir auf, mich sofort zu entschuldigen, was ich auch tat: «Ich dachte, in deinem Alter spielt das keine Rolle mehr.» Leider liess die gut Dreissigjährige die nötige Reife zum angemessenen Umgang mit dieser Feststellung vermissen und nahm mir meine Äusserung sehr übel.

 

Das männliche Gegenstück zur Patin war von Beruf Lehrer. So einer, wie man ihn sich vorstellt. Absolut pünktlich und korrekt, jede Zuwendung mir gegenüber war geprägt von pädagogischem Sendungsbewusstsein. Was er mir schenkte, hatte immer einen praktischen Sinn. Seine Gattin verwöhnte er vermutlich mit rostfreien Sparschälern und verzinkten Schuhspannern.

 

Die Älteren unter uns erinnern sich noch an die Zeit, als Postpakete in der Adventszeit einen Kleber trugen: «Nicht vor Weihnachten zu öffnen». So einen Kleber trugen die Pakete, die ich jedes Jahr vom Götti bekam. Nicht etwa um den 20. herum, sondern in voller Absicht schon anfangs Dezember. Der Marshmallow Test lässt grüssen. Ab der dritten Ausführung wusste ich auch um den Inhalt: Die aktuelle Jahresausgabe des «Helveticus» – ein Schunken mit höchst interessantem Inhalt, dessen Teile jeweils perfekt zu einem naturwissenschaftlichen Fach passten.

 

So stand ich also vor zwei Problemen. Die erste Herausforderung war, jeden Tag auf den Estrich zu schleichen, das Paket zu öffnen, ein paar Seiten zu lesen und das Werk wieder fein säuberlich zu verpacken. Noch vor dem Eintreffen des Christkinds kannte ich den Inhalt praktisch auswendig.

Noch anspruchsvoller ist allerdings die Aufgabe, ein Buch mit einem gespielten Mix aus Neugier, Überraschung und Begeisterung so auszupacken, dass keiner etwas merkt. Es hat nie jemand etwas gemerkt.

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