AT: RFTE: Kreislaufwirtschaft und Technologiesouveränität als Herausforderungen des österreichischen Innovationssystems

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦                                    

 

Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFTE) fungiert seit mehr als zwanzig Jahren als wichtiges Beratungsorgan und Impulsgeber des Bundes zu Fragen von Forschung, Technologieentwicklung und Innovation (FTI). Das betonen die vier Minister:innen, die für die FTI-Strategie des Bundes verantworten zeichnen, nämlich die Ressortverantwortlichen des Finanzministeriums, des Klimaschutzministeriums, des Wissenschaftsministeriums und des Wirtschaftsministeriums, in ihrem gemeinsamen Vorwort zum Tätigkeitsbericht des RFTE für 2021 (III-723 d.B.).

 

Der Bericht dokumentiert die Empfehlungen und Stellungnahmen des Rats. Zudem hat der RFTE auch 2021 mit dem "Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs" eine umfassende kritische Einschätzung des FTI-Systems vorgelegt. Der Tätigkeitsbericht führt weiters die Themen an, denen der Rat besondere Bedeutung für die Zukunft beimisst und auf die er aktuell einen besonderen Fokus legt. Im Zentrum stehen dabei der notwendige Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft sowie die Frage der Wahrung der Technologiesouveränität.

 

Tätigkeit des RFTE 2021

Die auch 2021 noch anhaltende Covid-19-Pandemie hat laut dem RFTE einen deutlichen Digitalisierungsschub in vielen Bereichen ausgelöst. Damit sei vieles umgesetzt worden, was der Forschungsrat wie auch zahlreiche andere Expert:innen schon seit Längerem immer wieder eingemahnt hätten, stellen die Autor:innen des Berichts fest. Die Notwendigkeit der Transformation bleibe jedoch auch nach der Pandemie bestehen und habe unterdessen nahezu jeden Lebensbereich erreicht. Der fundamentale Wandel erfordere auch eine strategisch intelligente Neujustierung des Gesamtsystems, sei es in Bildung, Wissenschaft oder Wirtschaft oder auch Gesellschaft und Politik. Überall zeigten sich systemische Herausforderungen, die  effektive Antworten erfordern. Viele Lösungsansätze für die Herausforderungen der Zeit würden bereits vorliegen, seien aber bis dato nicht umgesetzt worden, wodurch wertvolle Zeit verloren gegangen sei, merkt der RFTE an.

 

Kreislaufwirtschaft: Vorhandenes Wissen rasch einsetzen

Als ein zentrales Thema für die Bewältigung der notwendigen Transformation sieht der RFTE die Kreislaufwirtschaft. Der Rat schenke diesem Bereich verstärkte Aufmerksamkeit und habe ihn zu einem seiner aktuellen Arbeitsschwerpunkte erklärt. Dabei gehe es um die Fragen, wie die grüne Transformation aus systemischer Sicht gelinge sowie um den Beitrag, den Forschung, Technologieentwicklung und Innovation (FTI) dazu leisten können und müssen.

 

Der RFTE sei überzeugt, dass die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit nur mit einem konzertierten, systemischen Ansatz machbar sein werde, aber auch, dass Forschung und Technologie bereits vieles an Lösungsmöglichkeiten bereithalten. Sie gelte es systematisch zu sondieren und breitflächig in die Anwendung zu bringen, und zwar jeweils auf unterschiedlichen Ebenen. Da die Kreislaufwirtschaft aus vernetzten Teilsystemen bestehe, sei es notwendig, das Wissen einer Vielzahl von Akteur:innen mit unterschiedlichen Expertisen zu bündeln. Die angestrebte "grüne" Transformation zeichnet sich laut dem RFTE vor allem durch ihre systemische Komplexität aus, die ganzheitliche Konzepte und Lösungsansätze brauche. Gleichzeitig merkt der Forschungsrat kritisch an, dass die generelle Diskussion nicht rasch genug vorankomme. Eine höhere Geschwindigkeit und Effektivität bei der Umsetzung notwendiger Maßnahmen sei daher notwendig.

 

RFTE verweist auf die Notwendigkeit von Technologiesouveränität

Nicht erst seit der Corona-Krise werde in Österreich und Europa über Technologiesouveränität als eine Maxime politischen Handelns diskutiert, stellt der RFTE fest. Technologiesouveränität sei "die Fähigkeit eines Staates oder Staatenbundes, die Technologien, die er für sich als kritisch für Wohlfahrt, Wettbewerbsfähigkeit und staatliche Handlungsfähigkeit definiert, selbst vorzuhalten und weiterentwickeln zu können, oder diese ohne einseitige strukturelle Abhängigkeit von anderen Wirtschaftsräumen beziehen zu können".

 

Die internationale Arbeitsteilung und die damit verbundene globale Verflechtung von Wertschöpfungsketten und Wirtschaftsräumen wird laut dem RFTE aufgrund steigender geopolitischer Unsicherheiten, eskalierender internationaler Handelskonflikte sowie des zunehmend strategischen Umgangs mit Technologien schon länger kritisch betrachtet. Die Pandemie habe die Diskussion über die Vulnerabilität des Gesellschafts- und Wirtschaftssystems in den Vordergrund der Debatten gerückt, konstatiert der Rat. Der RFTE habe daher als einer der ersten Akteur:innen im österreichischen Innovationssystem das Thema Technologiesouveränität zu einem analytischen Arbeitsschwerpunkt und zum Gegenstand seiner Beratungstätigkeit gemacht. Im Jänner 2021 habe er dazu ein Thesenpapier zur Entwicklung einer österreichischen Position zur Technologiesouveränität veröffentlicht. Dieses Papier sei am 18. Jänner 2021 im Rahmen des pandemie-bedingt virtuell stattfindenden Neujahrsempfangs des Rats mit zahlreichen Stakeholdern und Expert:innen diskutiert worden, hält der Bericht fest.

 

Im Zentrum der Beschäftigung mit dem Thema Technologiesouveränität sieht der Rat die Klärung der Frage, wie es Österreich gelingen kann, seine eigene Technologiesouveränität zu erhalten bzw. auszubauen. Darunter fällt für den RFTE auch die Aufgabe, jene kritischen Technologien zu identifizieren, für die es möglich und sinnvoll ist, sie selbst zu entwickeln und dabei eventuell Technologieführerschaft zu erreichen oder zumindest ein gleichberechtigter Partner in einer neuen internationalen Arbeitsteilung zu werden. Dort, wo das nicht sinnvoll oder möglich sei, gelte es, über einen verlässlichen Zugang zu kritischen Technologien sowie die Optimierung der entsprechenden Rahmenbedingungen nachzudenken. Das Thema Technologiesouveränität sieht der RFTE darüber hinaus eng verwoben mit seinen Aktivitäten in Fragen der Industriepolitik und der Kreislaufwirtschaft.

 

In diesem Zusammenhang verweist der Rat auch auf die Frage nach der Resilienz des Innovations- und Wirtschaftssystems und darüber hinaus der Gesellschaft als Ganzes. Hier fokussiere er sich auf das Thema der Vulnerabilität und Abhängigkeit von Wertschöpfungsketten, insbesondere bei Wissensproduktion, Technologieentwicklung und Lieferketten, hält der Bericht fest. Hier müssten auch mögliche nicht-intendierte negative Konsequenzen entsprechender Maßnahmen diskutiert werden. Ein Beispiel ist laut dem Rat die Digitalisierung, mit der auch die Gefahr einer abnehmenden gesellschaftlichen Teilhabe (die Verstärkung des Digital Divide) und einer Einschränkung demokratischer Freiheitsrechte einhergehe. Die Idee einer Rückverlagerung von Produktionskapazitäten nach Europa sei auch unter dem Aspekt zu sehen, dass steigende Produktionskosten letztlich sogar zu einer indirekten Schwächung der Resilienz aufgrund geringerer Diversifikation von Bezugsquellen für Technologien, Rohstoffen usw. führen könnten, gibt der RFTE zu bedenken.

 

Aktuell sei es dem Rat ein besonderes Anliegen, die Diskussion zur Frage der Technologiesouveränität mit Akteur:innen der FTI-Politik weiterzuführen und den österreichischen Diskurs an internationale Entwicklungen anzubinden. Ein Schwerpunkt für 2022 ist laut dem RFTE die Frage, wie ein maßgeschneidertes Souveräntitätsmonitoring für Entscheidungsträger:innen aussehen könnte, um daraus Handlungsoptionen abzuleiten. Derzeit gebe es keine zentrale Stelle, die entsprechende Informationen erheben und bereitstellen könne, merkt der Rat an.

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 

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