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CH: Geringschätzung der Privatsphäre

DMZ –  RECHT / MM ¦ AA ¦                                        

 

In seinem heute veröffentlichten Tätigkeitsbericht stellt der Beauftragte eine verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber dem Schutz von Bürgerdaten und eine wachsende Geringschätzung der Privatsphäre fest. Die bei Gesundheitsplattformen gehäuft aufgetretenen Mängel bei der Bearbeitung von sensiblen Personendaten und die inzwischen auch in Europa feststellbare Tendenz, das Recht der Bevölkerung auf Verschlüsselung ihrer Daten als Freiheitsmissbrauch zu diskreditieren, belegen diese Entwicklung.

 

Der Beauftragte hat heute seinen Tätigkeitsbericht für die Berichtsperiode vom 01.04.2021 bis 31.03.2022 publiziert. Die COVID-Bekämpfung schränkte die Freiheit und Privatsphäre der Bevölkerung auch in diesem Berichtsjahr noch stark ein. Dennoch konnte die digitale Schweiz aus der Perspektive des Datenschutzes mit der COVID-App und dem COVID-Zertifikat inklusive seiner Light-Version wichtige Achtungserfolge verbuchen. Dank der dezentralen und datensparsamen Ausgestaltung dieser Tools konnte die Übermittlung von Bürgerdaten an die Bundesverwaltung vermieden werden. Dieses technologische Erfolgsrezept kann der Bund nun auch in der neuen Auflage einer staatlich anerkannten elektronischen Identität (E-ID) übernehmen.

 

Gesundheitsplattformen in Schieflage

Gleichzeitig leckt die digitale Schweiz die Wunden, welche der technisch und organisatorisch missglückte Betrieb gewisser Applikationen zum Contact Tracing oder von Registern über Impfungen, Organspenden oder Brustimplantate aufriss. Nachdem der Investigativjournalismus erschreckende technische Lücken aufdeckte, haben die aufsichtsrechtlichen Verfahren des EDÖB weitere Mängel, insbesondere hinsichtlich der Qualität der bearbeiteten Personendaten zu Tage gebracht. Im Falle der Impfdaten von rund 300'000 Personen, welche die inzwischen konkursamtlich liquidierte Stiftung meineimpfungen bearbeitetet hatte, ist unter dem Eindruck einer Löschempfehlung des Beauftragten ein staatlicher Rettungsversuch der Daten zustande gekommen. Dies rund zehn Monate, nachdem der EDÖB in dieser Sache einen umfangreichen Untersuchungsbericht veröffentlicht hatte.

 

Recht auf Verschlüsselung als Freiheitsmissbrauch diskreditiert

Der EDÖB stellt besorgt fest, dass inzwischen auch Regierungen und Sicherheitsbehörden in Europa einen präventiven Zugang zur Individualkommunikation ihrer Bevölkerung einfordern. Ohne vorher im Einzelfall eine richterliche Genehmigung einholen zu müssen, würde nach deren Plänen künftig der inhaltliche Datenverkehr von Messenger-Apps und E-Mails inklusive Bilder einer staatlichen Überwachung zugänglich gemacht. Wie so oft wird auch dieser massive Angriff auf die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger mit der Bekämpfung des Terrorismus und der Pädokriminalität begründet. Zur Durchsetzung ihrer Observationsvision möchten deren Promotoren Privaten verbieten, Individualkommunikation gegenüber jedermann wirksam zu verschlüsseln, was der Beauftragte ablehnt. Er weist darauf hin, dass Kriminalität gesellschaftsimmanent ist. Bürgerinnen und Bürger, die sich dem behördlichen Wunsch nach Selbstbelastung widersetzen, indem sie aus welchen Gründen auch immer Verschlüsselungssoftware einsetzen, darf der Rechtsstaat nicht vorwerfen, sie missbrauchten ihre Freiheit.

 

Neue Erschwernisse in der Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips

Im Bereich des Öffentlichkeitsprinzips verzeichnet der EDÖB eine weiterhin steigende Anzahl von Zugangsgesuchen und Schlichtungsanträgen, was ihn angesichts der pandemiebedingten Arbeitsrückstände bei der Wahrung der gesetzlichen Fristen vor Probleme stellt. Zudem macht sich in Teilen der Verwaltung eine neue Tendenz bemerkbar, das informelle Schlichtungsverfahren vor dem EDÖB durch formalistische Einreden zu komplizieren, was den Abbau der Arbeitsrückstände noch zusätzlich erschwert.  

 

 

 

Herausgeber

Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter

http://www.edoeb.admin.ch/ 

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