
DMZ – MEDIEN ¦ Anton Aeberhard ¦
KOMMENTAR
Heute Abend widmet sich Markus Lanz im ZDF erneut der Aufarbeitung der Corona-Pandemie – und sorgt bereits im Vorfeld für Diskussionen. Grund dafür ist die Auswahl der Gäste, die zwar auf den ersten Blick ausgewogen erscheint, bei näherer Betrachtung jedoch ein Paradebeispiel für sogenanntes False Balancing ist – also die künstliche Ausgewogenheit zwischen wissenschaftlich fundierten Positionen und fragwürdigen Einzelmeinungen.
Was ist False Balancing – und warum ist es gefährlich?
False Balancing bedeutet, zwei Meinungen als gleichwertig darzustellen, obwohl nur eine davon auf belastbarer wissenschaftlicher Evidenz beruht. Das kann zu einer verzerrten Wahrnehmung führen, als sei etwa der wissenschaftliche Konsens nur eine Meinung unter vielen. Gerade in der Corona-Pandemie – wie auch bei Themen wie Klimawandel oder Impfung – kann dies fatale Folgen für die öffentliche Meinungsbildung haben.
Die Gäste heute Abend bei Lanz
Am 10. April 2025 diskutieren in der ZDF-Sendung:
- Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister (SPD), der eine Bilanz des staatlichen Krisenmanagements zieht.
- Alena Buyx, Medizinethikerin und ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, mit Fokus auf gesellschaftliche Folgen der Pandemie.
- Hendrik Streeck, Virologe und CDU-Abgeordneter.
- Alexander Kekulé, Epidemiologe.
- Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe.
Während Lauterbach und Buyx durch ihre Rollen und ihre Expertise in Wissenschaft und Politik breit anerkannt sind, fällt die Einladung der drei weiteren Gäste problematisch auf – denn sie eint eine medienwirksam inszenierte Kritik an den Corona-Maßnahmen, die wissenschaftlich nicht immer haltbar war.
Die fragwürdige Rolle einzelner Gäste
Hendrik Streeck: Seine berüchtigte Heinsberg-Studie wurde wissenschaftlich scharf kritisiert – unter anderem wegen unklarer Methodik und politischer Vereinnahmung. Dennoch war er in Talkshows Dauergast. Seine Positionen entsprachen oft eher politischen als virologischen Argumenten – spätestens seit seinem Wechsel in den Bundestag als CDU-Politiker.
Artikel zu Streeck
Alexander Kekulé: Bekannt für seine häufigen Kurswechsel – mal warnt er vehement, mal relativiert er Gefahren, mal kritisiert er die Impfung, dann wieder ihre Umsetzung. Konsistenz sucht man bei ihm vergeblich. Fachkollegen und Institutionen wie das RKI oder die STIKO distanzierten sich wiederholt von seinen Aussagen.
Jonas Schmidt-Chanasit: Er machte sich insbesondere mit seiner Kritik an Schulschließungen und Masken bei Kindern einen Namen – unter Ausblendung der damals unvollständigen Datenlage und internationaler Erfahrungen. Seine Positionen wurden gerne von Maßnahmengegner vereinnahmt. Eine differenzierte Einordnung fehlte jedoch häufig.
Eine verpasste Chance für den Journalismus
Dass das ZDF diesen Stimmen heute Abend erneut eine Bühne bietet – ohne echte Einordnung oder kritische Rückschau auf ihre bisherigen Aussagen – ist bedauerlich. Gerade öffentlich-rechtliche Sender tragen die Verantwortung, Fakten von Meinungen zu trennen und nicht längst widerlegte Narrative auf eine Stufe mit wissenschaftlich fundierten Positionen zu stellen. Die Aufarbeitung der Pandemie braucht sachliche Analyse, keine Bühne für Selbstinszenierung oder Meinungsproporz um jeden Preis. False Balancing ist kein Dienst an der Demokratie – sondern ein mediales Versagen.
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Nachtrag zu Schmidt-Chanasit:
In Anbetracht von Jonas Schmidt-Chanasits Verhalten auf Plattformen wie Twitter/X ist es besorgniserregend festzustellen, dass er auf sachliche Argumente von anderen Wissenschaftlern, Ärzten und Medienleuten nicht mit einer konstruktiven Auseinandersetzung, sondern mit Blockierungen reagiert. Diese selektive Abgrenzung von gegensätzlichen Meinungen kann als Versuch interpretiert werden, seine Anhängerschaft gezielt von widerlegenden Argumenten abzuschirmen.
Ein weiterer problematischer Aspekt ist, dass Schmidt-Chanasit bewusst entlarvende Argumente und kritische Kommentare von anderen Wissenschaftlern auszublenden scheint. Diese selektive Informationspräsentation kann dazu führen, dass seine Gefolgschaft nicht in vollem Umfang über alle relevanten und widerlegenden Standpunkte informiert wird. Dieses Vorgehen untergräbt den Grundsatz wissenschaftlicher Integrität, der eine offene und transparente Diskussion über Forschungsergebnisse und Standpunkte vorsieht.
Solche Praktiken bergen die Gefahr einer eingeschränkten Meinungsbildung und könnten die Wissenschaft insgesamt in Misskredit bringen. In einer Zeit, in der der Zugang zu Informationen schneller und einfacher ist denn je, ist es unerlässlich, dass Wissenschaftler einen offenen Dialog pflegen und unterschiedliche Perspektiven respektieren. Blockaden und gezielte Informationsausblendungen tragen nicht zur Förderung einer evidenzbasierten Diskussion bei, die für die wissenschaftliche Gemeinschaft und die Gesellschaft insgesamt von entscheidender Bedeutung ist.

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