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Das deutsche Modell steht vor fundamentalen Herausforderungen – die gar nicht „schlanken“ Staaten richten ihre Strategien anders aus

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦              

KOMMENTAR

 

Die Diskussion über die Schuldenbremse ist geprägt durch das Modell des „schlanken Staats“, der sich aus der Wirtschaft raus hält. Es ist unglaublich, wie viele dieses unterkomplexe Modell so hervorheben. Das Wirtschaftsmodell Deutschlands ist dadurch nämlich nicht beschrieben und das weltweite schon gar nicht.

 

Man könnte Deutschland gewissermaßen als Outsourcing-Weltmeister bezeichnen. Das Wirtschaftsmodell heißt verkürzt „Export“, aber das funktioniert nun mal nur, wenn es woanders Import gibt. Richtig ist – und darauf dürfen unsere Unternehmen sowie deren Ingenieure zurecht stolz sein -, dass man dafür auch die global im Wettbewerb führenden Produkte anbieten muss.

 

Richtig ist aber auch, dass die Sache finanziert werden muss. Das hat Deutschland dem wichtigsten Handelspartner, das ist immer noch die EU, überlassen. Ausgerechnet den Partnern, denen der geniale Finanzminister Deutschlands gerade Sparvorschriften machen möchte. Ebenso überlassen wurde das den danach folgenden Partnern, das sind mal die USA, mal China, deren Rolle wechselt. Nebenbei bemerkt hat Deutschland das bei den Verteidigungsleistungen genauso gemacht.

 

War zweifellos klug, hat prima geklappt und wer Deutschland regierte, war nicht wirklich wichtig. Passt bestens ins Bild, der Staat müsse sich nur raus halten. So lange der Export brummt, sind die Auslandsmärkte dominierend und so lange die deutschen Unternehmen da erfolgreich sind, ist es zweitrangig, was Berlin tut. Sollen die am besten sparen und sich raus halten. Passt.

 

Jetzt nicht mehr. Vorbei. Globale Deals haben die unangenehme Eigenschaft, dass auch die jeweils andere Seite mitspielen muss. Vielleicht sollte insofern der Michel erkennen, dass es für Deutschland zwar lange nicht sehr wichtig war, wer in Berlin regiert, aber immer schon relevant war, wer im „Rest der Welt“ so regiert. Blöde nur, dass wir deren Entscheidungen nicht mitbestimmen können.

 

Wenn man sich die GDP-Daten mal anschaut, erkennt man unschwer zwei wesentliche Dinge: Erstens sind die USA aus den größeren Krisen (Dotcom-, Finanz-, Corona-Krise) stets besser herausgekommen, als Deutschland. Zweitens ist der Aufstieg Chinas und kommend Indiens offensichtlich der seit 20 Jahren prägende Trend, der alle anderen herausfordert.

 

Was der Michel nicht versteht: Bisher konnte Deutschland von diesen Trends sogar profitieren, unsere Konjunktur brummte nie zuhause, sondern in diesen Märkten. Die Chinesen haben das Modell des Staats, der sich raus hält, aber nie betrieben. Die USA haben das so ganz klar auch nie gemacht, aber spätestens seit der Jahrtausendwende haben sie das: Aus dem Fenster geworfen – und zwar in beiden politischen Lagern!

 

Nun spüren wir offensichtlich Gegenwind, wofür natürlich stets die aktuelle Regierung und die Probleme, die wir beim Blick in den eigenen Vorgarten gerade sehen, verantwortlich sind. Die Energiepreise werden zum alles dominierenden Standortfaktor erhoben und irgendwelche gerade getroffenen Maßnahmen schädigen natürlich „die Wirtschaft“.

 

Tatsächlich ist es viel schlimmer, denn unser Modell ist ausgelaufen. Wir spüren momentan sogar nur die relative Schwäche der Weltwirtschaft. Die Tatsache, dass insbesondere China und in Reaktion darauf die USA eine staatlich organisierte strategische Industriepolitik machen, dabei alles tun, nur nicht „sparen“, dass der technologische Vorsprung unserer Industrien seit Jahren erodiert und dass nun auf den Weltmärkten unsere bisherigen Kunden zu den schärften Wettbewerbern werden, das alles ist in den Daten noch gar nicht angekommen.

 

Wer mit dem bisherigen Modell Deutschlands fortsetzen möchte, muss zumindest erklären, wie das in diesem sich fundamental geänderten globalen Wettbewerb funktionieren soll. Mit Subventionen untergehender Technologien, die man auch noch technologieoffen nennt, geht das gewiss nicht. Mit einem Bildungssystem, das uns kaum führende Technologien aus unseren Laboren verspricht, wird das nicht gehen. Mit einem Staat, der selbst die innovativen Technologien nicht nutzt, geschweige denn deren Infrastrukturen anbietet, ist das auch nicht zu erwarten.

 

Gerne kann man die Wiederbelebung des Modells also diskutieren, aber ich sehe keinen einzigen Beitrag dazu, keinen! Die einzige wirklich wuchtige Ressource, die Deutschland in der Tat noch hat, ist die gebunkerte Dividende dieses nun auslaufenden Deals der letzten Jahrzehnte, das ist seine Finanzkraft.

 

Aber die soll nun also auch noch gespart werden. Wohin soll das in einer Welt führen, die massiv investiert und zwar ganz explizit in Dinge, die unserer Exportindustrie Wettbewerb machen?

 

Die bisher für uns nützlichen globalen Expansionspläne und auch das dafür eingesetzte massive Kapital richtigen sich gegen uns – so simpel ist das Fazit, wenn man es in einem Satz ausdrücken möchte.

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