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Es gibt keine Krise des „Windmarkts“ – gute Investments aber leider auch nicht

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Die diversen Schwierigkeiten von börsennotierten Unternehmen aus den Erneuerbaren Energien werden gerne als angeblicher Grund für ein Scheitern der damit verbundenen Technologien oder der gesamten Märkte heran gezogen. Als ich über das Aus der SMRs von Nuscale Power berichtete, wurden einige „Dialoge“ geradezu trollhaft überschwemmt mit Charts von abstürzenden EE-Aktien. Ganz besonders oft wird ein ETF von iShares herangezogen, weil es angeblich den gesamten Sektor so gut abbildet und vermutlich auch, weil tatsächlich sehr viele damit auf die Nase gefallen sind.

 

Der FAZ-Beitrag schildert die rein finanztechnische Seite so eines ETF sehr gut, Leseempfehlung! Kurz zusammen gefasst mit meiner Bewertung: Es ist gar nicht möglich, in das Thema „Green Energy“ an der Börse zu investieren. Zu wenige und zu kleine börsennotierte Unternehmen, zudem auf den kleinsten und sogar schwierigsten Teil der Wertschöpfung (Hersteller) in diesen Märkten reduziert. Wenn ein Marketing- und Vertriebsriese wie Blackrock darauf einen ETF setzt, zieht der so viel Investmentvolumen für ein viel zu enges Segment an, dass er zunächst mal die Kurse ohne fundamentalen Gründe treibt. Das war an der Stelle sogar der Finanzindustrie zu heiß, weshalb der „Index“ erweitert wurde. Das war rein finanztechnisch sogar geboten, aber dadurch sind Werte aufgenommen worden, die mit „Green“ und teilweise nicht mal mit „Energy“ was zu tun haben.

 

Was nun passiert, ist die Folge dieser Fehlallokation, die gute ETFs vermeiden und schlechte leider sogar erzeugen: Die Stimmung kippt und aus einem engen Markt wird zu schnell zu viel Geld abgezogen, was im Fall eines ETFs Verkaufszwang auslöst. Da viele im Markt das wissen, genügt ein kleiner Käuferstreik und die Baisse lässt sich beschleunigen. Kleiner Service am Rande: Bei dem vorbereiteten Bitcoin-ETF passiert ganz genau dasselbe, nur noch etwas präziser „gestaltet“. Wer da hin fasst, sollte wissen, was er tut, solche Verluste in Kauf nehmen und jederzeit bereit sein, ganz schnell die Reißleine zu ziehen. Profis sagen zu solchen „Investments“ lapidar: Kann klappen – oder auch nicht.

 

Während die Autorin des Beitrags diese finanztechnische Seite sehr gut recherchiert hat, gelingt ihr das bei der Marktbewertung leider nicht und so ist mal wieder eine Headline mehr im Stimmungsorchester. Zunächst muss man schlicht darauf hinweisen, dass so ein Chart bei einer rational agierenden Börse insbesondere langfristig eine Korrelation mit dem Geschäftsverlauf des einzelnen Unternehmens darstellt. Die Autorin selbst schreibt aber bereits, dass es hier auch zu markttechnischen Verzerrungen kommt, dass diese Reaktion also auch Ursachen jenseits der Unternehmen hat. Vor allem aber: Eine Korrelation ist noch keine Kausalität. Bei Nuscale war meine Aussage nicht der Chart, sondern die Mitteilung des Unternehmens, dass man die einzige eigene Technologie aufgibt. Der Chart war die Reaktion darauf und der ersetzt nicht die Frage, was da los ist, weshalb dieses spammende geposte von irgendwelchen Charts für sich genommen frei von Inhalt oder Aussage ist.

 

Im Beitrag wird dazu korrekt erwähnt, dass es sich um eine Welle von Kostensteigerungen bei der Beschaffung handelt, wobei die Zinssteigerungen eine große Rolle spielen. Der Hinweis, Erneuerbaren erforderten hohe Investments und seien daher besonders betroffen, ist verkürzt und wird gerne falsch gelesen, denn bei Erneuerbaren entstehen fast alle Kosten bei der Errichtung, während das bei anderen Energieerzeugern eher die laufenden Betriebskosten sind. Deshalb sind Erneuerbare aber nicht teurer, in der Gesamtrechnung stimmt das Gegenteil, sie sind aber tatsächlich empfindlicher gegenüber Zinslasten, da bei anderen Erzeugern die laufenden Betriebskosten aus den Einnahmen bezahlt werden, also ohne Zinslasten.

 

Immerhin spielt die Autorin die technischen Probleme bei Siemens Gamesa nicht hoch, die in diesen Charts nun tatsächlich gar keine Rolle spielen, nicht mal bei Siemens Energy. Kein einziges der hier gelisteten Unternehmen hat Probleme, funktionierende und zuverlässig Strom produzierende Anlagen zu liefern oder zu installieren. Es gibt auch keine mangelnde Nachfrage oder erkennbare Produktionsprobleme beim Output. Sowohl die laufenden Installationszahlen, die Auftragseingänge als auch der messbare Output an Windstrom zeigen ungebrochen positive und wachsende Trends nach oben. Erkennbar wächst und funktioniert dieser Markt bestens. Aber warum kommt das in diesen Charts nicht an, das ist die entscheidende Frage?

 

Das liegt tatsächlich einerseits an dieser Welle an Kostensteigerungen in der Beschaffung, die einmal durch diese Unternehmen „durch muss“. Der Grund liegt in den langfristigen Kalkulationen bei Lieferverpflichtungen (Hersteller) oder bei zugesagten Fixpreisen für die Stromlieferung (Betreiber). Hier stehen Verträge in den Büchern, die nur defizitär zu erfüllen sind, weshalb man entweder Verluste macht oder sogar Projekte gegen Konventionalstrafen absagen muss. Wer sich sehr tief mit der Materie beschäftigt, kann herausfinden, dass die Sache mit den Lieferketten und Beschaffungskosten schon fast durch ist, die meisten Preise sinken wieder. Auch diese Welle wird nun einmal durchlaufen: Hersteller können momentan neue Bestellungen zu besseren Preisen durchsetzen und dürfen sogar mit sinkenden Beschaffungskosten rechnen, deren Marge wird bald besser werden, zumal auch die Zinskosten nicht mehr steigen, vielleicht sogar zurück kommen. Sobald das durch ist, wird es wieder Preisdruck geben und die Betreiber können günstiger einkaufen. Da deren Geschäft noch langfristiger ist, werden deren Margen auch wieder besser, weil sie aktuell höhere Strompreise durchsetzen. Ganz zum Schluss wird das Spiel bei den Strompreisen dann auch wieder ankommen und diese Inflationswelle ist wegen der Trägheit speziell dieses Markts einmal durch.

 

Selbst das ist aber nur eine Nabelschau, denn weder dieses ETF, noch die singulären Unternehmen bilden „den Windmarkt“ ab. Ein Markt besteht aus einer Wertschöpfungskette über viele Akteure – sorry für diesen basalen VWL-Hinweis. Was viele Kommentatoren dabei übersehen: Wenn es irgendwo grundlegende technische Probleme gibt, ökonomisch fehlende Wettbewerbsfähigkeit oder mangelnde Nachfrage kann ein Markt insgesamt als gestört oder nicht funktionierend bezeichnet werden. Das ist hier aber nicht gegeben. Wenn einzelne Akteure in einem insgesamt gut funktionierenden Markt, also funktionierender Wertschöpfungsketten, Probleme haben, insbesondere schlechte, gar negative Margen, so sind das die Vorteile anderer Akteure.

 

Genau das ist hier der Fall. Der „Windmarkt“ besteht aus sehr vielen zuliefernden Herstellern, beispielsweise Turbinen, Umspannwerke, diverse elektrotechnische Infrastruktur, ja sogar Türme für Windkraftanlagen. Denen geht es seit Jahren in Summe glänzend! Dann haben wir die WKA-Hersteller, die mit Flugzeug-Herstellern vergleichbar sind. Oft auf Zulieferer angewiesen, die in dem Markt eine sehr gute Position haben und Preise setzen können, selbst eher mit Kompetenz in Montage, jedoch weniger exklusiver eigener Technologie positioniert und daher vom Preisgefüge bei der Beschaffung sowie dem Verkauf vor allem mit bösen Fallen bei den Fristen belastet. Deren Situation schwankt enorm, seitdem es Windkraft gibt, das ist nach meiner Bewertung in dem gesamten Markt das schlechteste Geschäftsmodell – und genau diese zitierten Aktien sowie das ETF werden dadurch dominiert. Nach den Herstellern kommen in der Wertschöpfungskette die Projektentwickler.

 

Das sind Unternehmen, die Kunden der Hersteller und Zulieferer sind. Tatsächlich funktioniert das Modell der Entwickler eher umso besser, je schlechter die Hersteller verdienen. Ein gut aufgestellter Entwickler wird sich aber aus genau diesen Schwankungen hübsch raus halten, keine Margen mit Fristentransformationen versuchen und sein Geschäft schlicht an der Nachfrage der nächsten Wertschöpfungskette ausrichten. Das sind die Betreiber, die sich Windparks bauen lassen, um Strom zu produzieren und zu vermarkten. Deren Geschäft war lange Zeit komplett langweilig, aber dafür sehr stabil. Man lässt vom Entwickler WKA-Kapazitäten zum Festpreis bauen und verkauft den Strom mit einer festen Marge an einen Händler oder Versorger, in Deutschland durch das EEG lange Zeit, heute fast irrelevant, abgesichert. Einige von denen haben jetzt erstmals Probleme, weil sie in Projekten den Strom zu Festpreisen für Jahrzehnte garantiert haben, für den sie nun nicht mehr produzieren können. ABER: Es gibt genauso Betreiber, die aus der Vergangenheit ungebundene Produktionskapazitäten haben – und die sitzen momentan auf Gelddruckmaschinen.

 

Den Schluss der Wertschöpfung bilden Händler und Versorger, zwischen denen man bei (noch) mehr Textlänge sogar unterscheiden sollte. Nur kurz: Kluge Händler profitieren in allen Märkten von stark schwankenden Preisen und da das beim Strom intraday wegen des Mark-Designs schon immer so war, verdienen (kluge!) Händler schon immer – aus meiner Sicht übrigens ohne eine relevante Leistung für den Markt. Versorger, die oft auch Händler sind, haben schließlich die Verträge mit Endabnehmern, bei denen jede Wertschöpfung bekanntlich endet. Auch deren Geschäft war lange sehr langweilig und sehr stabil, weil die mittleren Einkaufspreise im Großhandel und Endpreise bei den Kunden kaum schwankten. Was inzwischen viele vergessen haben: Da zwischenzeitlich die kurzfristigen Beschaffungskosten eskalierten, die langfristigen Tarifbindungen mit den Kunden aber galten, waren viele Versorger faktisch pleite und wären ohne Staatseingriffe kollabiert. Da das aber in fast allen Fällen Unternehmen sind, die Strom und Gas liefern sowie speziell mit Windkraft nichts zu tun haben, wurde darüber wenig geschrieben. Inzwischen sind aber diejenigen der Versorger, die sich entweder durch Eigenproduktion oder durch langfristige Einkäufe bei Betreibern sehr viel Windstrom gesichert haben: Gelddruckmaschinen.

 

Um es ganz komplex zu machen, sei erwähnt, dass es eine ganze Reihe von Unternehmen gibt, die entlang dieser Wertschöpfungskette mehrere dieser Geschäftsmodelle betreiben. Oberhalb der Hersteller ist eines meiner Mandate so aufgestellt und ich fühle mich oft belustigt, wenn mir „Experten“ erklären, dass unser Geschäftsmodell nicht funktioniert, weil man mit „Windmühlen“ kein Geld verdienen kann. Mein Mandat ist momentan nicht unglücklich mit der Situation, aber das ist nur ein Mittelständler. Nach meiner Marktkenntnis gibt es momentan einen ganz großen Gewinner im europäischen Windmarkt und das ist vermutlich RWE. Orsted, deren Untergang von vielen „Experten“ gerade erkannt werden will, hat sich bekanntlich im US-Markt in einigen Projekten teuer verhoben, was die Bilanz verhagelt, aber die müssten in der EU derzeit ebenfalls bestens verdienen. Sie sind aber schlechter als RWE aufgestellt, denn sie kommen in der Wertschöpfung nicht weit genug an die Endkunden.

 

Denn die, also die Endkunden, zahlen momentan insbesondere in Europa die Zeche für diese hervorragende Gewinnsituation im Windmarkt – alle anderen Bewertungen sind nur durch Unkenntnis oder Unwillen zu erklären. Dieser Markt läuft hervorragend und das sage ich ohne Begeisterung, weil mein Mandat der kleinste Teil meiner Tätigkeit ist und als Ökonom kann ich, wie hier oft beschrieben, an dieser Dysbalance des Marktes keinen Gefallen finden. Ich wiederhole daher: Die sinkenden Stromgestehungskosten durch Erneuerbare müssten in einem gesunden Markt beim Endkunden ankommen und wären dadurch der wichtigste Treiber für die Energiewende.

 

Wieder viel Text und gesagt ist längst nicht alles. Im FAZ-Beitrag erwähnt ist auch der PV-Markt, in dem mein Mandat übrigens genauso aktiv ist, das nur als Hinweis für die viele „Windmühlenlobbyist“-Fanpost, die ich erhalte. Da gilt das gesagte strukturell genauso, wobei es im Detail alles auch wiederum differenzierter ist. Aber ich will nur eine Parallele genauer erwähnen: Im Windmarkt stehen die chinesischen Hersteller bereit, in diese Kakofonie der westlichen Märkte einzubrechen. Während hier viel zu kleine Hersteller mit viel zu kleinen Kapazitäten viel zu viel regulatorische Hürden und viel zu geringen sowie jetzt zu teuren Kapitalzugang haben, also mit dem schlechtesten aller Geschäftsmodelle in der gesamten Wertschöpfung kämpfen, werden die in China durch eine Kombination aus Abschottung des dortigen Markts und staatlicher Subventionen immer größer und technisch besser. Im PV-Markt ist das längst Geschichte, den dominiert China weitgehend. Das ist nicht nur schlecht, denn im PV-Segment sinken die Preise immer weiter – und ich bin ganz sicher, dass wir das bald im Wind-Segment auch wieder sehen, die ersten Indikatoren zeigen das bereits. Für die Erneuerbaren weltweit eine gute Nachricht, für Teile unserer Wertschöpfungsketten nicht, für andere winken noch bessere Geschäfte und so lange der Markt so strukturiert bleibt, wie er ist, wird der kleinste Teil davon beim Verbraucher landen.

 

Da vermutlich einige auch Hinweise erhoffen, wie man denn in den tatsächlich wachsenden Erfolg Erneuerbarer investieren kann: An der Börse gar nicht! Singuläre Aktien sind schwierig, ob Orsted seine Bilanzen jetzt wirklich komplett bereinigt hat, weiß man nicht. RWE ist weit mehr als Erneuerbar und der Erfolg im Kurs bereits weitgehend enthalten. Die notierten Aktien sind alle eher herstellerlastig, da wo das Geld verdient wird, sitzen Großversorger oder nicht börsennotierte Unternehmen. Bei den aktiennotierten Gesellschaften dürfte der größte Erfolg den chinesischen winken und da muss jeder für sich entscheiden, ob er investiert, denn dort kann man als Ausländer keine Unternehmensbeteiligungen erwerben, sondern rechtliche Hoffnungsberechtigungsscheine auf die Gutmütigkeit der chinesischen Führung.

 

Das kann klappen – oder auch nicht.

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