
DMZ – POLITIK ¦ Anton Aeberhard ¦
Seit Beginn seiner zweiten Amtszeit nutzt Donald Trump das verfassungsmäßige Begnadigungsrecht in einem Ausmaß, das in der amerikanischen Geschichte seinesgleichen sucht. Über 50 vollständige Begnadigungen und mehr als zwei Dutzend Strafmilderungen wurden bislang durch den Präsidenten ausgesprochen – auffällig oft zugunsten prominenter Unterstützer, verurteilter Verbündeter oder ideologischer Gesinnungsgenossen.
Symbolträchtige Gnade für verurteiltes TV-Paar
Besonders öffentlichkeitswirksam: die Begnadigung des Reality-TV-Paares Julie und Todd Chrisley. Beide hatten Banken um Millionen betrogen und Steuervergehen begangen. Obwohl sie zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren, setzte Trump am 28. Mai ihre Strafen kurzerhand aus – persönlich überbrachte er die Nachricht der Tochter Savannah Chrisley, einer treuen Anhängerin. Die medienwirksame Geste war offenbar gewollt: ein Präsident, der seinen Fans zeigt, dass Loyalität belohnt wird.
Massenhafte Freisprüche für Kapitolstürmer
Ein weiteres drastisches Beispiel: Bereits am Tag seiner Amtseinführung entließ Trump rund 1.500 Personen, die wegen ihrer Beteiligung am Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 verurteilt worden waren, aus der Haft. In Justizkreisen sorgt dies für großes Unbehagen – Kritiker sprechen von einer Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit, da Trump offenbar gewillt ist, politische Straftäter zu rehabilitieren, sofern sie seiner Agenda dienen.
Auch Schwerverbrecher profitieren
Darüber hinaus begnadigte Trump den ehemaligen Bandenboss Larry Hoover, dessen kriminelles Netzwerk einst hunderte Millionen mit Drogen verdiente. Beobachter werten diese Entscheidung als Versuch, sich bei bestimmten Bevölkerungsgruppen anzubiedern – trotz Hoovers brutaler Vergangenheit.
Begnadigungen mit politischem Kalkül
Die politische Stoßrichtung wird spätestens mit dem Wechsel an der Spitze der Begnadigungsbehörde deutlich: Liz Oyers, bislang zuständig für die juristische Prüfung von Gnadengesuchen, wurde entlassen. Ihr Nachfolger: Ed Martin, ein ideologischer Gefolgsmann des Präsidenten. Seine erste öffentliche Botschaft nach Amtsantritt: "Kein MAGA bleibt zurück." Gemeint sind die inhaftierten Anhänger der „Make America Great Again“-Bewegung.
Juristische Kritik: „Gefährliche Politisierung“
Juraprofessor Dan Kobil von der Capital University warnt vor einem gefährlichen Trend. Zwar sei das Begnadigungsrecht ein legitimes Instrument der US-Verfassung – doch in Trumps Händen werde es zu einem Mittel der Machtdemonstration. „Wer dem Präsidenten dient, kann auf Straffreiheit hoffen. Wer sich dem Rechtsstaat verpflichtet fühlt, wird entmutigt“, erklärt Kobil.
Besonders alarmierend: Trumps wiederholte Andeutungen, künftig auch potenzielle Zeugen oder Mitangeklagte zu begnadigen – selbst, wenn sie sich weigern, auszusagen. Dies würde nicht nur Gerichtsverfahren untergraben, sondern faktisch ermöglichen, Schweigen zu „erkaufen“.
Präzedenzfälle unter früheren Präsidenten – doch nie in diesem Ausmaß
Natürlich war Trump nicht der erste Präsident, der umstrittene Begnadigungen aussprach. Bill Clinton etwa hatte den Finanzmogul Marc Rich kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt begnadigt – eine Entscheidung, die damals scharf kritisiert wurde. Auch Barack Obama verkürzte zahlreiche Haftstrafen, etwa für nicht-gewalttätige Drogendelikte – allerdings im Rahmen einer klaren Reformagenda. Joe Biden wiederum sorgte 2024 für Aufsehen, als er seinem Sohn Hunter nach einer Verurteilung wegen Steuervergehen und illegalem Waffenbesitz überraschend Strafnachlass gewährte.
Doch Trumps Praxis geht weiter: Seine Begnadigungen dienen offenbar weniger einer humanitären Bewertung als vielmehr einer politischen Agenda. Dabei setzt er gezielt Signale an seine Anhängerschaft – und an seine Kritiker.
Nächster Skandal in Sicht? Spekulationen um Diddy
Die Spekulationen um eine mögliche Begnadigung des Musikproduzenten Sean "Diddy" Combs – derzeit mit schweren Vorwürfen konfrontiert – sorgen bereits für die nächste Debatte. Auf die Frage, ob er auch ihn begnadigen würde, antwortete Trump: „Ich weiß es nicht, aber ich werde mir die Fakten ansehen.“ Für Beobachter ist klar: Sollte Combs eine offene Unterstützung für Trump signalisieren, ist eine Begnadigung nicht auszuschließen.
Ein Werkzeug der Gnade wird zur Waffe der Macht
Trump nutzt ein ursprünglich rechtsstaatlich vorgesehenes Mittel zunehmend zur Belohnung von Loyalität – und zur Absicherung seiner politischen Position. Was als Akt des Mitgefühls gedacht war, droht sich unter ihm zum System der Straflosigkeit für Gleichgesinnte zu entwickeln. Der Preis: das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz und die Integrität der amerikanischen Demokratie.
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