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Neue dänische Studie zeigt Langzeitfolgen von COVID-19 auch bei Kindern im Alter von 0 bis 14 Jahren

DMZ – FORSCHUNG ¦ Anton Aeberhard   

 

Eine groß angelegte Studie aus Dänemark bestätigt, dass Kinder, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben, deutlich häufiger an langanhaltenden Symptomen leiden als Gleichaltrige ohne Infektion. Die Ergebnisse zeigen jedoch auch: Die Lebensqualität der betroffenen Kinder ist teils überraschend hoch – und wirft neue Fragen auf.

 

In der bislang größten landesweiten Untersuchung ihrer Art haben dänische Forschende unter Leitung von Prof. Selina Kikkenborg Berg (Rigshospitalet, Kopenhagen) die gesundheitlichen Langzeitfolgen von SARS-CoV-2 bei Kindern im Alter von 0 bis 14 Jahren untersucht. Die Ergebnisse, veröffentlicht in The Lancet Child & Adolescent Health, liefern neue und differenzierte Erkenntnisse zum sogenannten Long COVID bei Kindern – und fordern eine stärkere medizinische Aufmerksamkeit für diese Altersgruppe.

 

Mehr Langzeitsymptome bei Infizierten 

Für die Studie wurden Daten von insgesamt knapp 200.000 Kindern aus nationalen Registern analysiert. Darunter befanden sich rund 38.000 Kinder mit einem nachgewiesenen positiven PCR-Test auf SARS-CoV-2 zwischen Januar 2020 und Juli 2021. Diese wurden mit einer viermal so großen Kontrollgruppe ohne nachgewiesene Infektion verglichen. Die Mütter der Kinder erhielten standardisierte Fragebögen zu Symptomen, Krankheitsverläufen und Lebensqualität – darunter etablierte Instrumente wie das Pediatric Quality of Life Inventory (PedsQL) und das Children's Somatic Symptoms Inventory-24 (CSSI-24).

 

Das zentrale Ergebnis: In allen Altersgruppen zeigten die ehemals infizierten Kinder signifikant häufiger Symptome, die länger als zwei Monate andauerten – ein mögliches Kriterium für Long COVID. Besonders betroffen waren Kleinkinder im Alter von 0 bis 3 Jahren: Hier berichteten 40 Prozent der infizierten Kinder über mindestens ein anhaltendes Symptom – verglichen mit 27 Prozent in der Kontrollgruppe.

 

Kopfschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen 

Zu den häufigsten Langzeitbeschwerden zählten – wie auch in anderen Studien – Kopfschmerzen, chronische Müdigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme und Bauchschmerzen. „Diese Symptome sind zwar nicht spezifisch für Long COVID, treten aber in auffälliger Häufung nach einer Infektion auf“, betonen die Autorinnen und Autoren. In der Altersgruppe der 4- bis 11-Jährigen lag die Rate an Langzeitsymptomen bei den Infizierten bei 38 Prozent, in der Kontrollgruppe bei 34 Prozent.

 

Überraschende Befunde zur Lebensqualität 

Ein bemerkenswerter Aspekt der Studie ist jedoch: Die Lebensqualität – insbesondere im emotionalen und sozialen Bereich – war bei den infizierten Kindern in den älteren Altersgruppen teilweise sogar höher als bei den nicht infizierten Kontrollkindern. So zeigten etwa Jugendliche zwischen 12 und 14 Jahren bessere Werte in den Bereichen emotionale und soziale Funktionsfähigkeit. Die Autor:innen vermuten, dass möglicherweise psychologische Faktoren oder veränderte Prioritäten nach der Erkrankung eine Rolle spielen könnten. Auch der intensive familiäre Rückhalt während der Genesung könne ein stabilisierender Faktor gewesen sein.

 

Höhere Fehlzeiten und mögliche Langzeitfolgen 

Gleichzeitig zeigten die betroffenen Kinder mehr Krankheitstage und fehlten häufiger in Schule oder Kita. Diese Einschränkungen im Alltag sind ein deutliches Zeichen dafür, dass Long COVID auch bei Kindern mit teils milden Verläufen eine ernstzunehmende Belastung darstellen kann – nicht nur für die Kinder selbst, sondern auch für Familien und das Bildungssystem.

 

Starke Methodik – aber auch Grenzen 

Die Studie hebt sich durch ihre große Fallzahl und die Nutzung nationaler Registerdaten deutlich von früheren Untersuchungen ab. Ein struktureller Vorteil: In Dänemark sind alle Bürger:innen verpflichtet, ein sicheres digitales Postfach zu besitzen. So konnte eine flächendeckende Erhebung gewährleistet werden. Dennoch weist das Forschungsteam auf mögliche Verzerrungen hin: Die Rücklaufquote bei den Fragebögen lag bei 28,8 Prozent bei den Infizierten und 22,4 Prozent bei den Kontrollpersonen – womöglich haben eher Eltern geantwortet, deren Kinder besonders stark betroffen waren.

 

Forderung nach spezialisierten Long-COVID-Ambulanzen 

Die Forschenden fordern nun, Long COVID bei Kindern ernst zu nehmen und besser medizinisch zu erfassen. „Es braucht altersgerechte Diagnostik und interdisziplinäre Behandlungsmöglichkeiten, um betroffene Kinder adäquat zu unterstützen“, sagt Studienleiterin Prof. Kikkenborg Berg. Angesichts der hohen Infektionsraten unter Kindern – in Dänemark waren allein in wenigen Monaten über die Hälfte aller Kinder infiziert – sei die Notwendigkeit evident.

 

Diese Studie zeigt klar: Long COVID betrifft nicht nur Erwachsene. Auch Kinder und Jugendliche können unter anhaltenden Beschwerden leiden, auch wenn sie die Infektion zunächst gut überstanden haben. Die Studie liefert wichtige Hinweise, aber auch offene Fragen – etwa, warum manche Kinder trotz Symptomen eine höhere emotionale Lebensqualität berichten. Klar ist: Long COVID bei Kindern darf nicht länger marginalisiert werden – weder in der Forschung noch in der Versorgung.

 

Quelle:

Selina Kikkenborg Berg et al. (2022): Long COVID symptoms in SARS-CoV-2-positive children aged 0–14 years and matched controls in Denmark (LongCOVIDKidsDK): a national, cross-sectional study. The Lancet Child & Adolescent Health. https://www.thelancet.com/journals/lanchi/article/PIIS2352-4642(22)00154-7/fulltext


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