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Die Herausforderung konservativer Politik für die demokratische Kultur

DMZ –  POLITIK  ¦ Anton Aeberhard ¦      

KOMMENTAR

 

In Zeiten wachsender politischer Polarisierung und gesellschaftlicher Verunsicherung wird der Blick auf die Verantwortung konservativer Politik für die demokratische Kultur schärfer. Es zeigt sich: Nicht allein einzelne Fehlentscheidungen, sondern strukturelle Tendenzen innerhalb konservativer Regierungspraxis tragen zur Erosion von Vertrauen in politische Institutionen bei.

 

Ein prägnantes Beispiel ist die Amtszeit von Jens Spahn als Bundesgesundheitsminister. Wer sich die Mühe macht, die im Januar 2025 veröffentlichten Prüfberichte des Bundesrechnungshofs sorgfältig zu lesen, erkennt rasch: Die Probleme bei der Beschaffung von Schutzausrüstung in der Anfangsphase der Corona-Pandemie sind nicht nur logistischer Natur gewesen. Vielmehr offenbaren sie ein Missverhältnis zwischen ministerialer Entscheidungsgewalt und effektiver Steuerung in der Krise. Es geht um mehr als „Holprigkeiten“ – es geht um die Frage, ob in entscheidenden Momenten die Grundsätze guter Regierungsführung vernachlässigt wurden.

 

Ähnlich gelagert ist der Fall der gescheiterten Pkw-Maut unter Verkehrsminister Andreas Scheuer. Der politische Wille, eine Maßnahme durchzusetzen, die offenkundig europarechtswidrig war, mündete nicht nur in einem juristischen Desaster, sondern in einem finanziellen Fiasko für die Steuerzahler. Der Evaluationsbericht des BMVI aus dem Jahr 2024 dokumentiert nicht nur Kosten und Abläufe, sondern wirft ein bezeichnendes Licht auf eine politische Kultur, die strategisches Durchregieren höher zu bewerten scheint als rechtliche und ökonomische Sorgfalt.

 

Besonders heikel ist derzeit die migrationspolitische Rhetorik des Innenministers Alexander Dobrindt. Seine Forderungen nach schärferer Rechtssicherheit und restriktiveren Asylverfahren stoßen bei vielen Fachverbänden auf scharfe Kritik. Wer die Argumentationen aufmerksam verfolgt, stellt fest: Hier geht es nicht nur um rechtspolitische Instrumente, sondern um ein Menschenbild. Die Art und Weise, wie über Migration gesprochen wird, beeinflusst den gesellschaftlichen Diskurs – nicht selten zu Lasten differenzierter Perspektiven und sozialer Kohäsion.

 

Diese Fälle stehen exemplarisch für ein tieferliegendes Problem: Konservative Politik in Deutschland befindet sich im Spannungsfeld zwischen einem traditionellen Ordnungsverständnis und dem Bedürfnis vieler Bürger:innen nach transparentem, verantwortlichem und zukunftsoffenem Handeln. Was in den USA unter Trump zum Bruch mit demokratischer Kultur führte, zeigt sich hierzulande subtiler, aber nicht minder besorgniserregend – etwa in der Form pauschaler Wissenschaftsskepsis oder dem Versuch, unbequeme gesellschaftliche Veränderungen durch Symbolpolitik zu beantworten.

 

Doch die Verantwortung liegt nicht nur auf Seiten der Konservativen. Auch progressive Kräfte sind gefordert, nicht bloß in der Reaktion zu verharren, sondern tragfähige Visionen für die kommenden Jahrzehnte zu entwickeln – in der Klimapolitik, der digitalen Infrastruktur, der sozialen Gerechtigkeit und der Bildung. Das politische Vakuum, das andernfalls entsteht, wird nicht lange leer bleiben. Es ist bekannt, von welchen Kräften es gefüllt wird.

 

Die sinkende Wahlbeteiligung, das wachsende Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und die zunehmende Radikalisierung in digitalen Räumen sind Warnsignale. Sie mahnen uns, die demokratische Kultur nicht als gegeben hinzunehmen. Vertrauen entsteht nicht durch Appelle, sondern durch sichtbare Integrität im politischen Handeln – über Parteigrenzen hinweg.

 

Die Jahre bis zur Bundestagswahl 2029 müssen als Gelegenheit begriffen werden, demokratische Substanz zu stärken, statt nur taktisch auf Umfragen zu reagieren. Es ist höchste Zeit, nicht nur über Demokratie zu sprechen, sondern sie im Stil, im Ton und in der Substanz des politischen Alltags glaubwürdig zu leben.


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