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Explosionsartiger Anstieg: Immer mehr Kinder mit Gedächtnisproblemen – Forscher warnen vor Long Covid

DMZ – FORSCHUNG ¦ Sarah Koller ¦     

 

Ein dramatischer Anstieg von Arztbesuchen wegen Gedächtnisproblemen sorgt in Norwegen für Beunruhigung – insbesondere unter Kindern im Alter von 5 bis 14 Jahren. Wissenschaftler sehen mögliche Zusammenhänge mit Long Covid, aber auch mit veränderter Lebensweise und übermäßigem Medienkonsum.

 

In Norwegen mehren sich die alarmierenden Hinweise: Immer mehr Menschen, auch Kinder, suchen ärztliche Hilfe wegen Gedächtnisproblemen. Besonders besorgniserregend ist eine nahezu Verdreifachung der Arztbesuche in der Altersgruppe der 5- bis 14-Jährigen in den vergangenen fünf Jahren.

 

2019 wurden landesweit rund 41.700 solcher Arztbesuche registriert. Im Jahr 2024 stieg die Zahl auf knapp 99.000 – ein Anstieg, der selbst erfahrene Experten überrascht.

 

„Ich habe in meiner zehnjährigen Laufbahn noch nie eine derartige Entwicklung beobachtet“, sagt Richard Aubrey White, Forscher und Statistiker am norwegischen Institut für öffentliche Gesundheit (FHI).

 

Mögliche Ursachen: Long Covid und Bildschirmkonsum 

White sieht einen engen zeitlichen Zusammenhang mit den Covid-19-Pandemiewellen. Besonders in den drei bis sechs Monaten nach einer Infektionswelle stiegen die Arztbesuche wegen Gedächtnisstörungen auffällig an. Für ihn ist dies ein starker Hinweis auf langfristige neurologische Folgen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2.

 

Auch der renommierte Neurowissenschaftler David Putrino vom Mount Sinai Health System in New York warnt: „Kinder sind von Long Covid genauso betroffen wie Erwachsene. Doch ihre Symptome werden häufig übersehen oder falsch gedeutet.“ Viele junge Patientinnen und Patienten kämen mit scheinbar unspezifischen Beschwerden wie Verdauungsproblemen – und erst bei genauem Nachfragen zeigten sich auch kognitive Einschränkungen.

 

Neurologin: Lebensstil trägt zur Verschärfung bei 

Die Neurologin und Hirnforscherin Dr. Marte Roa Syvertsen vom Krankenhaus in Drammen sieht neben Long Covid noch eine andere Hauptursache: den modernen Lebensstil. „Die permanente Nutzung von Smartphones und sozialen Medien verändert buchstäblich die neuronalen Netzwerke in der kindlichen Entwicklung“, warnt sie.

 

Syvertsen betont, dass psychische Belastungen bei jungen Menschen zunehmen – ebenso wie Diagnosen wie ADHS oder Autismus. Das Zusammenspiel aus chronischem Stress, Bewegungsmangel, gestörtem Schlaf und sozialer Isolation schwäche das Gehirn.

 

„Was die Hirngesundheit stärkt, ist bekannt: Bewegung, guter Schlaf, soziale Interaktion. Aber das alles tritt zunehmend in den Hintergrund – verdrängt durch den Bildschirm“, sagt Syvertsen.

 

FHI mahnt zur Vorsicht – fordert aber mehr Forschung 

Das norwegische Gesundheitsinstitut FHI sieht die Entwicklung mit Sorge, warnt aber vor vorschnellen Schlussfolgerungen. Preben Aavitsland, kommissarischer Bereichsleiter am FHI, weist darauf hin, dass auch Faktoren wie veränderte Diagnosegewohnheiten oder die steigende Zahl an Allgemeinärzt:innen zur Zunahme beitragen könnten.

 

Zugleich betont er: „Es gibt deutliche Anzeichen für eine Gesundheitsbelastung bei Kindern und Jugendlichen. Doch wir benötigen genauere Daten und intensivere Forschung, um die Ursachen zu verstehen – insbesondere im Hinblick auf Long Covid und pandemiebedingte Lebensveränderungen.“

 

Ein globales Warnsignal? 

Die norwegischen Daten stehen nicht allein. Auch andere Länder berichten über zunehmende Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme bei jungen Menschen. Studien aus den USA, Großbritannien und Deutschland weisen auf vergleichbare Trends hin.

 

Fazit: Die Häufung von Gedächtnisproblemen bei Kindern ist ein dringendes Alarmsignal. Ob Long Covid, digitale Reizüberflutung oder psychosozialer Stress – die Ursachen sind vermutlich vielfältig und komplex. Umso wichtiger ist es, dass Politik, Forschung und Gesellschaft jetzt handeln – mit gezielter Aufklärung, Prävention und einer kindgerechten Gesundheitsstrategie. 


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