
DMZ – LEBEN ¦ Stefan Hemler ¦
„Liegefrosch“, so lautet der Name, den eine ME/CFS-Patientin selbstironisch ihrem elektromotorunterstützten Liege-Dreirad gegeben hat. Der „Liegefrosch“ ist nun auch namensgebend für eine ebenso gewagte wie originelle Charity-Tour, mit der die 52-jährige Tübingerin trotz ihrer schweren Erkrankung seit über vier Wochen in Richtung Holland unterwegs ist.
Auf mehreren Social Media-Kanälen hat Adelheid ihr originelles Fundraising-Projekt beworben, so auch auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=nzhC5Q10OpQ. Sehr gemütlich geht es im #Liegefrosch voran, mit etwa 4 km/h, meistens in Etappen von rund zwanzig Kilometer am Tag. Denn die frühere Sprachtrainerin muss aufgrund ihrer schweren Erkrankung, die sie sich vor drei Jahren nach einer Corona-Infektion zugezogen hat, mit ihren wenigen verbliebenen Kräften eisern aushalten.

#Liegefrosch - nach ihrem E-Liegedreirad hat Adelheid aus Tübingen ihre 800 Kilometer lange Charity-Tour nach Almere in den Niederlanden benannt, mit der sie bereits über 25.000 Euro für ME/CFS-Patient:innen sammeln konnte. Bis 20. Juni kann noch unter folgendem Link gespendet werden: https://charity-move.de/project/35177 (Fotos: privat).
Und doch war diese notgedrungen so gemächliche Fundraising-Tour, das lässt sich schon vor ihrem Ende sagen, ein voller Erfolg: Schon über 25.000 Euro hat Adelheid zur Unterstützung von zwei
Hilfsprojekten für ME/CFS-Erkrankte eingesammelt. Noch bis zum 20. Juni kann für die #Liegefrosch-Charity unter folgendem Link gespendet werden:
https://charity-move.de/project/35177
Live-Stream aus der „Grünen Kathedrale“ in Almere am 19. Juni
Von Tübingen aus ist Adelheid mit ihrem Liegefrosch-pünktlich am 15. Mai, zum weltweiten ME/CFS-Awareness-Day, aufgebrochen. Ihre Route führte sie quer durch Baden-Württemberg nach Rheinland-Pfalz und dann weiter entlang des Rheins, vorbei an Bonn und Köln. Diese Tage ist sie nun bereits in den Niederlanden bei Arnhem unterwegs. Und wenn alles planmäßig läuft, erreicht sie am nächsten Mittwoch ihr Ziel, die „Grüne Kathedrale“ in Almere.
Dieses Naturdenkmal, das es Adelheid besonders angetan hat, wurde von dem Konzeptkünstler Marinus Boezem 1987 erschaffen. Auf dem Grundriss der Kathedrale von Reims ließ er in Almere 187 Pappeln pflanzen. Nach insgesamt 800 Kilometern auf ihrer fünfwöchigen Fahrt am Ziel angekommen plant Adelheid an diesem besonderen Freiluft-Kunstort ein Instagram-Live-Streaming als krönenden Abschluss der #Liegefrosch-Charity-Tour. Die Live-Schaltung soll am Donnerstag, den 19. Juni um 18 Uhr stattfinden.
Seit dem 15. Mai fast täglich #Liegefrosch News auf Instagram und Bluesky
Auf Insta wie auch auf Bluesky hat Adelheid mit ihren zwei „Liegefrosch“-Profilen schon seit Tourbeginn fast täglich mit Fotos und Postings über ihre Reiseerlebnisse berichtet. Hier die Links zu
den beiden Social Media-Accounts:
https://www.instagram.com/liegefrosch_mecfs/
https://bsky.app/profile/liebelumi.bsky.social)
Die Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS), an der Adelheid leidet, gehörte in Deutschland jahrzehntelang zu den in der Öffentlichkeit wie auch der Ärzteschaft weitgehend unbekannten Krankheiten. Das ist insofern erstaunlich, als mehrere hunderttausend Patient:innen betroffen waren. Ein prominenter Fall war in den 1990er Jahre der Fußball-Bundesliga-Profi Olaf Bodden. Er erkrankte nach Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) so schwer, dass er nach mehreren gesundheitlichen Rückschlägen schließlich zum Pflegefall wurde.
Rund 650.000 Betroffenen der Myalgische Enzephalomyelitis in Deutschland – Tendenz steigend
Wie bei Bodden und Adelheid ist die Ursache der schweren neuroimmunologischen Krankheit ME/CFS häufig ein zunächst oft harmlos verlaufender viraler Infekt, an den sich dann aber eine rapide Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes anschließt. Dieser kann sich in einer Vielzahl von Symptomen manifestieren und in seiner schlimmsten Form in dauerhafter Bettlägerigkeit enden.
In der Öffentlichkeit bekannter geworden ist ME/CFS erst durch die Corona-Pandemie, weil auch das SARS-CoV-2-Virus ähnlich wie EBV ein Krankheitsauslöser sein kann. Im Laufe der Pandemie wurde klar, dass das Post Covid-Syndrom in seiner schwersten Ausprägung zu ME/CFS führt. Heute wird geschätzt, dass sich die Zahl der ME/CFS-Patient:innen in Deutschland durch die Pandemie von ursprünglich ca. 400.000 auf jetzt rund 650.000 erhöht hat – Tendenz weiter steigend: https://mecfs-research.org/wp-content/uploads/2025/05/The-rising-cost-of-Long-COVID-and-MECFS-in-Germany.pdf.
Angesichts des wachsenden Leids einer immer größeren Zahl Betroffener wird die Forderung immer dringlicher, dass ME/CFS, das übrigens nicht immer postviral entsteht, endlich besser erforscht wird. Denn nur so kann es hoffentlich bald gelingen, zusätzlich zu einigen bereits bekannten Möglichkeiten der Symptomlinderung nun endlich auch wirksame Therapien zur Heilung anbieten zu können.
Deshalb unterstützt Adelheid mit der Hälfte der Spenden ihrer Charity-Tour die ME/CFS Research Foundation, die in den letzten sechs Monaten mit ihrem #LemonChallengeMECFS in den Medien viel Aufmerksamkeit erzielt hat. Bereits über 85.000 Euro Spenden konnten von ihr für Forschungsprojekte gesammelt werden: https://mecfs-research.org/lemonchallengemecfs/
Der #Liegefrosch sammelt auch für die „Botkins Roboterlis“
Die andere Hälfte der Spenden, die Adelheid mit der Liegefrosch-Charity-Tour einsammelt, geht an das Schweizer „Botkins Charity Projekt“. Mithilfe der Entwicklung und Finanzierung passender Avatare, den „Botkins Roboterlis“, unterstützt dieses weltweit wohl einzigartige DIY-Hilfsprojekt die Teilhabe von ME/CFS-Kranken am Alltagsleben ihrer Umgebung: https://botkins.ch/.
Für Menschen, die durch ME/CFS weitgehend oder vollständig ans Bett gefesselt sind, ermöglichen mit einer Kamera ausgestattete kleine Telepräsenz-Roboter, mit ihrer Umgebung wenigstens virtuell Kontakt zu treten. So kann etwa ein krankes Kind mithilfe eines „Botkins Roboterlis“ von zuhause zugeschaltet am Unterricht seiner Klasse hybrid teilnehmen und sogar mit seiner Klasse avatargestützt interagieren.
Übrigens wird auch beim #Liegefrosch-Streaming auf Instagram am kommenden Donnerstagabend einer der kleinen Botkin-Roboter zu sehen sein: Bei der Besichtigung der Grünen Kathedrale in Almere unterstützt Adelheid ein Sightseeing-Avatar während ihrer Live-Schaltung.

Ein kleiner grüner Frosch begleitet als Maskottchen die #Liegefrosch Charity Tour, die nach fünf Wochen kommende Woche in der Grünen Kathedrale in Almere endet (Fotos: privat).
#Liegefrosch als „Glücksfall“ und Mutmacher
Auch wenn Adelheid sich vor vier Wochen mit dem #Liegefrosch auf ihre große Fundraising-Tour gewagt hat, verfügt sie als ME/CFS-Betroffene eigentlich nur noch über zehn Prozent ihrer früheren Energiereserven. Krankheitsbedingt fühle sich ihr Allgemeinzustand, wie sie auf LinkedIn in einem Text kürzlich schrieb, „seit zweieinhalb Jahren jeden Tag an wie eine Grippe (mit Gliederschmerzen und fiebrigem Gefühl) und Kater nach drei Flaschen richtig schlechtem Weißwein“ (https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:7316760830132322304/).
Zeitweise lag auch Adelheid, wie so viele ME/CFS-Patient:innen, ohne Kraft und von Schmerzen geplagt fast permanent im Bett. Dass bei ihr inzwischen eine moderate Besserung eingetreten ist, die es ihr ermöglicht, in ihrem Liege-Dreirad wieder bis zu drei Stunden draußen unterwegs zu sein, bezeichnet sie als ihren „Glücksfall“.
Mit ihrer #Liegefrosch-Tour möchte sie gerade auch jüngeren Schwersterkrankten Mut machen nicht aufzugeben, wie sie kürzlich in einem Interview mit dem Südwestrundfunk erklärt hat: „Die jungen Leute, die teilweise seit drei, vier Jahren keine Freunde mehr gesehen haben, die liegen in dunklen Zimmern rum. Und ich habe gedacht, bei mir geht es jetzt wieder ein bisschen aufwärts. Ich muss etwas machen.“ (https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=42090)
Eine politische Charity-Tour mit Hoffnung für Schwerstkranke und Erinnerung an die ohne Hoffnung Verstorbenen
Zugleich erinnert Adelheid mit ihrer Charity-Aktion aber auch an die wachsende Zahl an ME/CFS-Patient:innen, die als jahrelange bettlägerige Pflegefälle ohne Hoffnung auf Therapie inzwischen verstorben sind – so wie Anfang dieses Jahres der 42 Jahre alte Faraz Fallahi: https://www.dmz-news.eu/2025/02/27/zum-tod-von-faraz-fallahi-1982-2025/. Adelheid kannte den engagierten Patientenaktivisten Faraz, über dessen Schicksal u.a. auch der „Spiegel“ berichtet hat, aus Tübingen. „Zu Beginn meiner Planung dachte ich nicht, dass diese Charity-Tour politisch sein würde. Aber sie wird es immer mehr“, schrieb Adelheid im April kurz vor dem Tourstart auf LinkedIn und fügte an, dass die „Versorgung der schwer(st)Kranken und die Forschungslage (..) dramatisch“ sei (https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:7313829557076185088/).
„Vertrauen des Herzens“ – Adelheids krisenfestes Lebensmotto aus Taizé
Dass sie trotz ihrer eigenen, so schweren Erkrankung, der sich doch nur sehr langsam bessernden Versorgungsmisere für ME/CFS-Patient:innen und dem Verlust schwerstbetroffener Freunde ihren unerschütterlichen Optimismus nicht verloren hat, ist wohl Adelheids von Frère Roger aus Taizé inspiriertem Lebensmotto zu verdanken. Darunter hat sie, wie sie in dem bereits erwähnten SWR-Interview erläutert hat, nun auch ihre Charity-Tour gestellt:
„Das Vertrauen des Herzens war aller Dinge Anfang. Also wir müssen ja aus allem, was ist, einen Neubeginn machen. Auch wenn er ganz anders ist. So wie jetzt bei mir dieser Bruch war durch diese Krankheit. Mit dem Vertrauen des Herzens können wir dann auch anderen Gegebenheiten standhalten“.

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