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Faktencheck: EU-Gelder für Umweltaktivisten?

DMZ –  POLITIK  ¦ Anton Aeberhard ¦      

 

Ein Bericht der „Welt am Sonntag“ (WamS) vom 7. Juni 2025 wirft der EU-Kommission vor, Umweltverbände über geheime Verträge finanziert zu haben, um Klagen und Kampagnen gegen Unternehmen – auch deutsche – durchzuführen und die Öffentlichkeit von der Klimapolitik der EU zu überzeugen. Die EU-Kommission und NGOs wehren sich.

 

Die Vorwürfe im Detail

Laut „Welt am Sonntag“ schloss die EU-Kommission 2022 geheime Verträge mit Umweltorganisationen wie ClientEarth und Friends of the Earth. Diese sollen bis zu 700.000 Euro erhalten haben für:

  • ClientEarth: 350.000 Euro, um deutsche Kohlekraftwerke in Gerichtsprozesse zu verwickeln und „finanzielle und rechtliche Risiken“ für Betreiber zu erhöhen.
  • Friends of the Earth: Beauftragung, das Freihandelsabkommen Mercosur zwischen Europa und Südamerika zu bekämpfen.
  • Weitere NGOs sollen Gelder für die Beeinflussung von EU-Abgeordneten vor Abstimmungen zu Pflanzenschutzmitteln und Chemikalien bekommen haben.

 

Die Verträge hätten Gegenleistungen wie Lobby-Briefe, Social-Media-Posts und Treffen mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments festgelegt. Ziel: die Klimapolitik der EU in der Öffentlichkeit zu stärken, finanziert mit Steuergeldern. WamS beruft sich auf angeblich eingesehene Dokumente.

 

Kritik von Politikern

CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier kritisierte in der WamS: „Es ist bedauerlich, dass unter den ehemaligen Kommissionsmitgliedern Virginijus Sinkevičius und Frans Timmermans pauschale Zuschüsse für Organisationen gegeben wurden, die radikale Aktionen, verdecktes politisches Lobbying und die Druckausübung auf Entscheidungsträger als Ziele in ihre Arbeitsprogramme verankerten.“ Sie sprach von „subversiven Plänen“, um Betriebe und Kohlekraftwerke zur Aufgabe zu zwingen.

 

Ex-CDU-Europaabgeordneter Markus Pieper sieht einen „Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung“, da die Exekutive (EU-Kommission) via Aktivisten die Legislative beeinflusst habe. FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn warnte: „Bei den Bürgerinnen und Bürgern bleibt der Eindruck, die Kommission fördere mit Steuerzahlergeld nur ihr liebsame Meinungen.“

 

Transparenzkritik des Rechnungshofs

Der Europäische Rechnungshof (EuRH) kritisierte im April 2025 mangelnde Transparenz bei der EU-Finanzierung von NGOs. Laima Andrikienė, EuRH-Mitglied, betonte: „Die EU-Finanzierung für NGOs ist zu undurchsichtig.“ Von 2021 bis 2023 flossen über sieben Milliarden Euro an NGOs in Bereichen wie Umwelt, Migration und Forschung. Die Daten seien „bruchstückhaft und damit nicht zuverlässig“.

 

Reaktionen: EU-Kommission und NGOs

Die EU-Kommission wies die Vorwürfe zurück. Ein Sprecher erklärte gegenüber tagesschau.de: „Es gibt keine geheimen Verträge zwischen der Kommission und Nichtregierungsorganisationen. Die Kommission ist sehr transparent.“ Empfänger und Beträge seien im Finanztransparenzsystem einsehbar. NGOs agierten „völlig unabhängig“ und könnten ihre Meinung frei äußern.

 

NGOs wie LobbyControl wehren sich: „Es ist empörend, wie Monika Hohlmeier, Alexander Bernhuber, Tomáš Zdechovský und viele andere konservative Politiker:innen seit Monaten mit unbelegten Behauptungen gegen NGOs Stimmung machen“, hieß es in einem Statement vom Februar 2025. Dies deute auf eine Diffamierungskampagne.

 

Der Faktencheck von volksverpetzer.de („Tagesschau über EU und NGOs: Was stimmt?“, 2025) beleuchtet die Vorwürfe weiter:

  • Keine Belege für „Geheimverträge“: Volksverpetzer.de betont, dass WamS keine konkreten Dokumente veröffentlicht hat. Die EU finanziert NGOs über Programme wie LIFE, doch Verträge seien öffentlich und legen Ziele fest, die mit EU-Politik übereinstimmen – keine „geheimen“ Absprachen.
  • Rolle der NGOs: ClientEarth klagt seit Jahren gegen Kohlekraftwerke, unabhängig von EU-Geldern. Solche Aktionen seien Teil ihrer Mission, Umweltrecht durchzusetzen. Friends of the Earth kritisiert Mercosur seit Langem, was mit ihrer Agenda, nicht zwingend mit EU-Aufträgen, zusammenhängt.
  • Transparenzmängel: Volksverpetzer.de bestätigt die EuRH-Kritik: Die Vergabe von Geldern ist oft unübersichtlich. Doch es gebe keine Beweise, dass die Kommission NGOs gezielt für Lobbyarbeit im Sinne der Exekutive steuert.
  • Politische Kampagne?: Der Artikel verweist auf eine mögliche Strategie konservativer Politiker, NGOs zu diskreditieren, um Umwelt- und Klimapolitik zu bremsen. Hohlmeiers Vorwürfe seien teilweise übertrieben und ohne stichhaltige Belege.

 

Faktencheck: Was ist belegt?

  • Finanzierung von NGOs
    Die EU unterstützt NGOs, etwa über das LIFE-Programm. Laut EuRH flossen 2021–2023 über sieben Milliarden Euro. Beträge und Empfänger sind teilweise im Finanztransparenzsystem einsehbar, doch die Nachverfolgbarkeit ist laut EuRH  lückenhaft.
  • Geheime Verträge
    Die Existenz „geheimer Verträge“ ist unbewiesen. WamS liefert keine verifizierbaren Dokumente. Die EU-Kommission bestreitet dies, und volksverpetzer.de sieht keine Belege für geheime Absprachen. Verträge mit NGOs legen Ziele fest, was üblich ist.
  • Klagen und Kampagnen
    ClientEarth führt Klagen gegen Kohlekraftwerke, was öffentlich dokumentiert ist. Die Summe von 350.000 Euro ist plausibel, doch ob dies gezielt von der Kommission für Lobbying gesteuert wurde, bleibt unbewiesen. Der Einsatz von Friends of the Earth gegen Mercosur passt zu ihrer Mission, ist aber nicht eindeutig ein Auftrag der EU.
  • Verstoß gegen Gewaltenteilung
    Die Behauptung eines Verstoßes ist spekulativ. NGOs beeinflussen Politik, was demokratisch legitim ist. Volksverpetzer.de und der EuRH finden keine Belege, dass die Kommission die Legislative unzulässig steuerte.
  • Transparenz
    Die Kritik an mangelnder Transparenz ist stichhaltig. Die Kommission kündigte im Mai 2025 Verbesserungen an: klarere Regeln und bessere Rückverfolgbarkeit.

 

Einschätzung

Die Vorwürfe der „Welt am Sonntag“ sind teils plausibel, aber nicht abschließend belegt. Die EU finanziert NGOs, und Transparenzmängel sind real, wie EuRH und volksverpetzer.de bestätigen. Doch „geheime Verträge“ für gezieltes Lobbying im Sinne der Kommission sind unbewiesen. NGOs wie ClientEarth und Friends of the Earth handeln oft im Rahmen ihrer Mission. Die scharfe Kritik von Politikern wie Hohlmeier könnte Teil einer Kampagne sein, Umweltorganisationen zu diskreditieren.

 

Die Behauptungen der WamS werfen wichtige Fragen auf, doch ein „Skandal“ ist nicht belegt. Transparenz bei der NGO-Finanzierung muss dringend verbessert werden, um Vertrauen in die EU zu sichern. Die Kommission betont ihre Offenheit und die Unabhängigkeit der NGOs, hat Reformen angekündigt und arbeitet mit Parlament und Rechnungshof zusammen. Ob dies ausreicht, bleibt abzuwarten.


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