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Gefährliche Täter als Opfer? – Warum die Klage der „Proud Boys“ gegen die US-Regierung ein Angriff auf die Demokratie ist

DMZ –  POLITIK  ¦ Anton Aeberhard ¦      

KOMMENTAR

 

Es ist ein Vorgang, der selbst in den Vereinigten Staaten mit ihrer langen Tradition rechtlicher Kuriositäten für Entsetzen sorgt: Fünf führende Mitglieder der rechtsextremen Miliz „Proud Boys“ verklagen die US-Regierung auf Schadensersatz – und fordern nichts Geringeres als 100 Millionen US-Dollar. Ihr Vorwurf: Die Verurteilung wegen ihrer Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 sei ein Verstoß gegen ihre verfassungsmäßigen Rechte gewesen. Ihre Haft sei ungerechtfertigt gewesen. Die Gewalt, an der sie beteiligt waren, stellen sie in Abrede.

 

Die Täter als Opfer? Eine groteske Verdrehung 

Hinter der Klage stehen zentrale Figuren der damaligen Attacke auf das demokratische Herz der Vereinigten Staaten: Enrique Tarrio, Joseph Biggs, Zachary Rehl, Ethan Nordean und Dominic Pezzola. Allesamt wurden sie wegen ihrer maßgeblichen Beteiligung an dem Umsturzversuch verurteilt – unter anderem wegen aufrührerischer Verschwörung. Während der Anführer Tarrio zu 22 Jahren Haft verurteilt wurde, erhielten die anderen ähnlich lange Strafen. Sie organisierten, hetzten und führten die Masse an – eine Masse, die nicht nur Polizeiabsperrungen durchbrach, sondern auch Gewalt gegen Einsatzkräfte verübte, Fenster einschlug, Büros verwüstete und Abgeordnete in Todesangst zurückließ. Fünf Menschen starben, unzählige wurden verletzt, das Vertrauen in die Institutionen schwer beschädigt.

 

Begnadigung als Rückkehr der Gesetzlosigkeit 

Dass Donald Trump, der mittlerweile wieder im Amt ist, nahezu alle verurteilten Kapitolstürmer begnadigte, ist ein Skandal, der weltweit Kritik hervorrief. Statt demokratischer Verantwortung signalisiert diese Amnestie, dass politisch motivierte Gewalt gegen den Staat nicht nur geduldet, sondern nachträglich belohnt wird. Die Klage der „Proud Boys“ ist eine direkte Folge dieser toxischen Rehabilitierung: Wer von höchster Stelle begnadigt wird, wähnt sich offenbar auch moralisch im Recht.

 

Ein Angriff auf die Justiz – und auf die Wahrheit 

In ihrer Klageschrift zeichnen die fünf Kläger das Bild friedlicher Demonstranten, die weder Gewalt ausgeübt noch den Ablauf im Kongress gestört hätten. Dass einer von ihnen – Pezzola – mit einem gestohlenen Polizeischild ein Fenster des Kapitols einschlug, wird ignoriert. Dass es Videoaufnahmen, Zeugenaussagen und eindeutige Beweismittel zu den Taten der anderen gibt, spielt für die Erzählung vom Unrechtsstaat offenbar keine Rolle.

 

Das Narrativ, man sei unschuldig verfolgt worden, ist nicht neu. Es ist ein beliebtes Mittel radikalisierter Gruppen, sich selbst zu stilisieren – als Märtyrer eines angeblich unterdrückenden Systems. In Wahrheit steht dahinter ein kalkulierter Angriff auf die Legitimität der amerikanischen Justiz.

 

Demokratie braucht Standhaftigkeit – auch gegenüber absurden Klagen 

Dass eine solche Klage überhaupt eingereicht werden konnte, ist Ausdruck der Rechtsstaatlichkeit – aber auch ihrer Verwundbarkeit. Sollte ein Gericht dieser grotesken Schadensersatzforderung auch nur ansatzweise nachgeben, würde das fatale Signale senden: an alle, die mit Gewalt Politik machen wollen.

 

Die amerikanische Demokratie hat den 6. Januar 2021 nur knapp überstanden. Dass ihre Gegner nun mit Klagen versuchen, Geschichte umzuschreiben, ist ein weiteres Alarmsignal. Gerade in einer Zeit, in der rechtsextreme und autoritäre Kräfte weltweit an Einfluss gewinnen, braucht es eine Justiz, die sich von Einschüchterung und Geschichtsklitterung nicht beeindrucken lässt.

 

Die Demokratie ist wehrhaft – aber nicht naiv 

Die Klage der „Proud Boys“ ist nicht bloß ein absurdes rechtliches Manöver. Sie ist Teil einer größeren Strategie: Der Versuch, den Angriff auf die amerikanische Demokratie umzudeuten – weg vom Verbrechen, hin zur angeblichen politischen Verfolgung. Wer solche Forderungen zulässt, riskiert, den demokratischen Rechtsstaat weiter zu unterhöhlen.

 

Die USA – und mit ihnen die freie Welt – dürfen diesen Versuch nicht unwidersprochen lassen. Wer das Kapitol stürmt, darf nicht auch noch Millionen dafür einklagen.


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