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Interner Bericht belastet Jens Spahn schwer – Maskenbeschaffung in der Kritik

DMZ –  POLITIK  ¦ Anton Aeberhard ¦      

 

Ein bislang vertraulicher Bericht zur Maskenbeschaffung in der Anfangsphase der Corona-Pandemie wirft dem früheren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schwerwiegende Versäumnisse und zweifelhafte Entscheidungen vor. Die 170-seitige Analyse der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof offenbart nach Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung erhebliche Mängel bei der Auftragsvergabe – und stellt insbesondere die Beauftragung eines Logistikunternehmens aus Spahns Heimatregion infrage.

 

Politisch brisanter Bericht unter Verschluss 

Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Sommer 2024 eingesetzte Sonderbeauftragte Sudhof übergab ihren Bericht bereits im Januar 2025 dem Ministerium. Dennoch wurde er bislang nicht veröffentlicht. Jede Seite ist mit dem Vermerk „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichnet, der Öffentlichkeit bleibt das Dokument vorenthalten. Auf Nachfragen verweigerte das Bundesgesundheitsministerium nähere Auskünfte und verwies auf laufende Bewertungen.

 

Fiege als umstrittener Auftragnehmer 

Kern des Berichts ist die Entscheidung, das Logistikunternehmen Fiege aus dem Münsterland – dem Nachbarwahlkreis Spahns – mit der Verteilung von Masken, Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln zu betrauen. Dies geschah laut Bericht unter Umgehung bestehender Logistikpläne, ohne reguläre Ausschreibung und entgegen der Empfehlung des zuständigen Beschaffungsamts. Das Innenministerium warnte mehrfach vor Risiken. Trotzdem soll Spahns Ministerium „händeringend“ auf die Beauftragung von Fiege gedrängt haben.

 

Die Sonderermittlerin hält fest, dass der spätere Vermerk über die Auswahl von Fiege auf den 6. April 2020 vordatiert wurde – ein Detail, das Zweifel an der Transparenz der Entscheidung aufwirft.

 

Kollaps der Logistik, Milliardenkosten für den Bund 

Die Kritik bleibt nicht bei der Auftragsvergabe stehen. Spahns Ministerium setzte im März 2020 zusätzlich ein sogenanntes Open-House-Verfahren auf, bei dem jedem Anbieter ein fester Abnahmepreis für FFP2-Masken garantiert wurde. Dies führte zu einer Flut von Lieferzusagen, das Budget von 500 Millionen Euro wurde binnen Tagen gesprengt – am Ende stand ein Beschaffungsvolumen von über fünf Milliarden Euro. Fiege, als zentraler Logistiker, sei mit der Masse an Lieferungen überfordert gewesen. Laut Bericht brach die gesamte Logistikkette zusammen, die Probleme dauern bis heute an.

 

Ministerium schweigt – Spahn verweist auf damalige Notlage 

Jens Spahn wollte sich zum Bericht nicht äußern. Über seinen Sprecher ließ er ausrichten, ihm liege der Bericht nicht vor, außerdem habe er seit Jahren keinen Zugang zu den Akten. Bereits 2024 hatte Spahn öffentlich betont, sein Handeln sei durch die damalige Notsituation geprägt gewesen. Die Devise sei gewesen: „Besser haben als brauchen.“ Die Auswahl von Fiege erklärte er mit deren Erfahrung in der Gesundheitslogistik und deren schneller Einsatzbereitschaft.

 

Doch warum auf eine reguläre Ausschreibung verzichtet wurde, bleibt unbeantwortet. Im Bericht wird vermerkt, dass ein Angebot von Fiege „ohne Teilnahmewettbewerb“ angenommen wurde – ein Auftragsvolumen von 1,5 Milliarden Euro.

 

Verdacht auf politische Gefälligkeiten 

Der Bericht nennt keine strafrechtlichen Vorwürfe, doch der politische Schaden ist erheblich. Die Grünen-Abgeordnete Paula Piechotta wirft Spahn vor, Unternehmen aus dem CDU-Umfeld bevorzugt zu haben – zum Nachteil leistungsstärkerer Anbieter wie DHL oder Schenker. Sie sieht in der Weigerung der aktuellen Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU), den Bericht dem Bundestag vorzulegen, den Versuch, Spahn politisch zu schützen.

 

Warken selbst weist diesen Vorwurf zurück. Ihr Sprecher erklärte, man werde zukünftigen Berichtsanfragen aus dem Parlament nachkommen.

 

Fiege verteidigt sich 

Das Unternehmen Fiege bestreitet jede politische Einflussnahme. Man habe über ein einsatzbereites Konzept verfügt und bereits am 13. März 2020 erste Lieferungen entgegengenommen. Die Schwierigkeiten seien allein durch das nicht vorhersehbare Ausmaß der Anlieferungen entstanden, für die das Ministerium die Verantwortung trage. Der Vorwurf einer Bevorzugung durch persönliche Kontakte sei geschäftsschädigend.

 

Parlamentarische Aufarbeitung gefordert 

Angesichts der brisanten Vorwürfe fordern mehrere Abgeordnete die unverzügliche Offenlegung des Berichts. Auch die Rolle des Innenministeriums, das offenbar übergangen wurde, und die Frage der rechtlichen Zulässigkeit des Open-House-Verfahrens dürften das Parlament noch beschäftigen. Bis heute sind Hunderte Klagen gegen den Bund anhängig – viele davon am Landgericht Bonn. Die Gesamtkosten für Steuerzahler könnten in die Milliarden gehen.

 

Ob Jens Spahn sich künftig politisch verantworten muss, hängt nun auch davon ab, ob der Bundestag vollständigen Zugang zu Sudhofs Bericht erhält – und ob dieser tatsächlich nur ein Abbild schwieriger Entscheidungen in einer historischen Krisensituation ist. Oder ein Beispiel dafür, wie politisches Eigeninteresse und mangelnde Kontrolle fatale Folgen haben können.


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