
DMZ – POLITIK ¦ Anton Aeberhard ¦
Ein Kommentar zur westlichen Mitverantwortung an Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine
Trotz zahlreicher Sanktionen gegen Russland seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 fließen weiterhin Milliarden in die russischen Staatskassen – vor allem durch den Export fossiler Brennstoffe. Wie die BBC in einem aktuellen Artikel vom 29. Mai 2025 („How the West is helping Russia to fund its war on Ukraine“) unter Berufung auf Zahlen des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) berichtet, hat Russland seit Beginn der Invasion rund 883 Milliarden Euro durch den Export von Öl, Gas und Kohle eingenommen – ein erheblicher Teil davon aus Ländern, die sich eigentlich zur Unterstützung der Ukraine bekennen.
Während die Ukraine seither Hilfen im dreistelligen Milliardenbereich erhalten hat, zeigen die Daten, dass der Westen Russland im selben Zeitraum weitaus mehr Geld für Energieimporte überwiesen hat. Besonders EU-Mitgliedsstaaten stehen in der Kritik: Von den 228 Milliarden Euro, die Russland allein aus Ländern mit Russland-Sanktionen einnahm, entfielen rund 209 Milliarden auf die EU. Zwar haben viele Länder russisches Erdöl auf dem Seeweg sanktioniert, Pipeline-Gas sowie Flüssigerdgas (LNG) fließen jedoch weiterhin – teils über Umwege – nach Europa.
Schlupflöcher und politische Untätigkeit
Ein besonders perfides Schlupfloch ist das sogenannte „Refining Loophole“: Russische Rohstoffe werden in Drittländern wie Indien oder der Türkei raffiniert und anschließend als neue Produkte – rechtlich legal – in den Westen exportiert. CREA spricht von mindestens sechs sogenannten „Waschsalon-Raffinerien“, die russisches Öl im Wert von über sechs Milliarden Euro verarbeiteten und so Sanktionen faktisch umgehen.
Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen. Der frühere russische Vize-Energieminister und heutige Putin-Gegner Wladimir Milow warnt, dass insbesondere die Preisobergrenze der G7 für russisches Öl nicht greife. Zudem sei die Umsetzung der Sanktionen durch westliche Institutionen wie das US-Finanzministerium unter Druck – nicht zuletzt durch politische Umstrukturierungen infolge der Trump-Regierung.
Moralisches Dilemma des Westens
„Wir finanzieren zugleich den Aggressor und die Verteidigung gegen ihn“, bringt es Mai Rosner von der NGO Global Witness auf den Punkt. Während Europa Solidarität mit der Ukraine proklamiert, bleibt die wirtschaftliche Verflechtung mit Russland über fossile Energie bestehen – aus kurzfristigen ökonomischen Überlegungen. Laut Rosner fehlt vielen Regierungen schlicht der Wille, Russland den Energiehahn zuzudrehen, weil sie Preissteigerungen fürchten.
Dabei zeigen die Zahlen, dass ein kompletter Importstopp für russisches LNG die EU kaum treffen würde: Laut CREA stammten 2024 nur fünf Prozent des europäischen LNG-Verbrauchs aus Russland – für Russland selbst jedoch machten EU-Kunden rund die Hälfte der LNG-Exporte aus. Ein Verzicht wäre machbar – wenn der politische Wille da wäre.
Der Beitrag der BBC wirft ein grelles Licht auf ein ungelöstes Dilemma der westlichen Ukrainepolitik: Während die moralische Unterstützung groß ist, scheitert es oft an der konsequenten wirtschaftlichen Entkopplung von Russland. Es braucht endlich mutige, koordinierte Schritte, um die Finanzierung von Putins Krieg zu stoppen – auch wenn sie kurzfristig unbequem erscheinen mögen.
Quelle:
Vitaly Shevchenko, How the West is helping Russia to fund its war on Ukraine, BBC Monitoring, veröffentlicht am 29. Mai 2025.
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