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Harvard unter Druck: Trumps Förderstopp bringt US-Forschung ins Wanken

DMZ – BILDUNG ¦ Sarah Koller ¦        

KOMMENTAR

 

Die Harvard University steht – einmal mehr – im Auge eines politischen Sturms. Doch was sich derzeit abzeichnet, ist mehr als nur ein weiterer Schlagabtausch zwischen Elite-Uni und US-Regierung: Es geht um den wohl einschneidendsten Angriff auf die Forschungsfreiheit in den Vereinigten Staaten seit Jahrzehnten.

 

In einem kaum für möglich gehaltenen Schritt hat die Regierung von Präsident Donald Trump fast 1.000 staatlich geförderte Forschungsprojekte mit einem Gesamtvolumen von über 2,4 Milliarden US-Dollar gestoppt – allein auf dem Campus in Cambridge. Und Harvard ist nicht die einzige Institution, die betroffen ist. Aber sie steht, wie so oft, symbolisch im Zentrum.

 

NIH, NSF, DoD: Die Axt trifft tief

Besonders drastisch fallen die Einschnitte bei den National Institutes of Health (NIH) aus: Mehr als 600 Projekte wurden dort gestrichen, rund 2,2 Milliarden Dollar an Fördermitteln sind auf einen Schlag verschwunden. Auch die National Science Foundation (NSF) zieht sich zurück – 193 Projekte, rund 150 Millionen Dollar, sind Geschichte. Selbst das Verteidigungsministerium, traditionell nicht zimperlich in der Vergabe von Forschungsaufträgen, annulliert 56 Vorhaben.

 

Der Schaden? Immens. Für Harvard bedeuten die Kürzungen eine ernsthafte Lücke im Haushalt – etwa elf Prozent des Jahresbudgets von rund 6,4 Milliarden Dollar stammen aus Bundesmitteln.

 

Politische Botschaft statt Sachargumente

Doch was steckt hinter dieser Entscheidung? Aus dem Weißen Haus heißt es, man reagiere auf „diskriminierende Strukturen“ an Universitäten – insbesondere auf angeblichen Antisemitismus und eine vermeintlich einseitige politische Ausrichtung. Tatsächlich hatte Harvard im Zuge des Gaza-Kriegs 2024 heftige inneruniversitäre Kontroversen erlebt, Proteste, Rücktritte – und eine öffentliche Debatte, die selten sachlich verlief.

 

In einem Interview räumte Harvard-Präsident Alan Garber unlängst ein, dass konservative Stimmen auf dem Campus „unterrepräsentiert“ seien. Gleichzeitig warnte er aber davor, dass politische Interventionen in die Wissenschaftsförderung das Fundament freier Forschung untergraben könnten. Harvard hat Klage gegen die Bundesregierung eingereicht – mit dem Ziel, die Förderstopps juristisch anzufechten.

 

Forscher im Wartestand, Talente im Visier

Währenddessen blicken Tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in eine ungewisse Zukunft. Viele Projekte stehen abrupt still – Laborarbeiten, Studien, Nachwuchsprogramme. Und längst wittern andere Länder ihre Chance: Kanada, Australien, Frankreich – sie alle umwerben derzeit gezielt US-Forschende, die plötzlich ohne Finanzierung dastehen.

 

Ein Biochemiker, der anonym bleiben möchte, formuliert es so: „Wir sind nicht nur frustriert – wir haben Angst. Nicht nur um unsere Arbeit, sondern auch um die Idee, dass Wissen unabhängig sein sollte.“

 

Ein Wendepunkt?

Ob diese Entwicklungen reversibel sind, ist offen. Fakt ist: Die Vereinigten Staaten drohen, einen Teil ihres intellektuellen Rückgrats zu verlieren – nicht aus Mangel an Talenten oder Ideen, sondern aus politischem Kalkül. Wenn Forschung zur Zielscheibe wird, ist das kein Nebenkriegsschauplatz – es ist ein Alarmsignal.

 

Was Harvard heute erlebt, könnte morgen jede andere Institution treffen. Und was jetzt als Maßnahme gegen eine „liberale Elite“ verkauft wird, könnte sich bald als strategisches Eigentor erweisen – mit langfristigen Schäden für das Renommee und die Innovationskraft der USA.


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