
DMZ – GESUNDHEIT ¦ Anton Aeberhard ¦
In Naturheilpraxen und Wellnesszentren erfreut sich die sogenannte Moxatherapie wachsender Beliebtheit. Die Methode stammt aus dem Repertoire der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und verspricht Heilung durch Wärme: Beifußkraut (Artemisia vulgaris), zu Zigarren gerollt oder lose aufgesetzt, wird über bestimmten Akupunkturpunkten abgebrannt, um angeblich die Lebensenergie „Qi“ zu stärken und Blockaden zu lösen. Doch was stimmungsvoll klingt, hält einer wissenschaftlichen Prüfung nicht stand.
Fehlende Evidenz trotz jahrtausendealter Praxis
Die Beliebtheit der Moxatherapie beruht weniger auf empirischer Wirksamkeit als auf der kulturellen Erzählung fernöstlicher Heilkunst. Tatsächlich ist der wissenschaftliche Erkenntnisstand ernüchternd. Eine umfassende systematische Übersichtsarbeit aus der renommierten Cochrane Database of Systematic Reviews (2020) analysierte die verfügbaren Studien zur Moxatherapie und kam zu einem klaren Ergebnis: Die methodische Qualität sei überwiegend mangelhaft, das Risiko für systematische Verzerrungen (Bias) hoch. Verlässliche Aussagen zur Wirksamkeit lassen sich daraus nicht ableiten. Gut konzipierte randomisierte kontrollierte Studien fehlen nahezu vollständig.
Selbst in Bereichen, in denen die Moxatherapie besonders häufig angewendet wird – etwa zur Schmerzbehandlung oder zur Wendung von Steißlagen bei Schwangeren – bleibt der Nutzen unbewiesen. Die oft zitierten positiven Einzelfallberichte oder kleinskaligen Studien mit positiven Ergebnissen genügen modernen wissenschaftlichen Standards nicht.
Nicht nur wirkungslos, sondern potenziell schädlich
Neben der fraglichen Wirksamkeit birgt die Methode durchaus Risiken. Es wurden Fälle von Verbrennungen, allergischen Reaktionen auf Beifußrauch und sogar Rauchvergiftungen dokumentiert. Besonders problematisch ist der Einsatz bei Schwangeren: Die Moxibustion zur Wendung des Kindes aus Beckenendlage wird zwar von manchen Hebammen praktiziert, doch gibt es keinen Konsens über Sicherheit und Effektivität. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) empfiehlt daher Zurückhaltung.
Auch der entstehende Rauch kann insbesondere bei empfindlichen Personen, etwa Asthmatikern oder Kindern, zu Reizungen der Atemwege führen. In schlecht belüfteten Räumen drohen akute gesundheitliche Gefahren.
Pseudomedizin mit Traditionsbonus
Die Moxatherapie steht exemplarisch für eine Reihe alternativer Verfahren, die sich ihrer jahrhundertealten Herkunft und spirituell aufgeladenen Symbolik bedienen, ohne eine wissenschaftlich belastbare Grundlage zu bieten. Dass eine Methode „traditionell“ ist, bedeutet nicht automatisch, dass sie auch wirksam oder ungefährlich ist – das zeigen auch andere Praktiken wie Schröpfen oder Blutegeltherapie, deren Nutzen in vielen Fällen ebenfalls nicht belegt ist.
Fazit
Trotz jahrtausendealter Herkunft und ästhetisch inszenierter Rituale bleibt die Moxatherapie ein Verfahren ohne nachgewiesenen medizinischen Nutzen. Die suggerierte Wirkung basiert vor allem auf dem Placeboeffekt und kultureller Suggestion. Wer sich auf diese Form der „Wärmetherapie“ verlässt, riskiert, notwendige schulmedizinische Behandlungen zu verschieben oder ganz zu unterlassen – mit potenziell gravierenden Folgen. Was bleibt, ist nicht heilende Glut, sondern die nüchterne Asche wissenschaftlicher Erkenntnis.
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