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Ein Laser mit «Augen» und «Hirn»: Maschinelles Lernen revolutioniert industrielle Metallverarbeitung

Empa-Forscher Giulio Masinelli (links) und Chang Rajani wollen laserbasierte Verfahren zur Metallverarbeitung zugänglicher machen. — © Empa
Empa-Forscher Giulio Masinelli (links) und Chang Rajani wollen laserbasierte Verfahren zur Metallverarbeitung zugänglicher machen. — © Empa

DMZ – WISSENSCHAFT ¦ MM ¦ AA ¦ Empa-Forscher Giulio Masinelli (links) und Chang Rajani wollen laserbasierte Verfahren zur Metallverarbeitung zugänglicher machen. — © Empa

 

Thun – Lasertechnologie gilt in der industriellen Fertigung als präzise, flexibel und effizient – insbesondere in Branchen wie der Luft- und Raumfahrt, der Automobilindustrie und der Medizintechnik. Doch bisher erforderten laserbasierte Prozesse aufwändige Vorversuche, um die nötige Genauigkeit zu erreichen. Ein Forschungsteam der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Thun will das nun ändern: Mithilfe von maschinellem Lernen machen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Laserprozesse nicht nur intelligenter, sondern auch wirtschaftlicher und robuster.

 

Laserverfahren wie das Schweißen oder der 3D-Druck von Metallen gelten als technologische Schlüsselprozesse. Doch trotz aller Vorteile bleibt ein Problem bestehen: Die Prozesse sind empfindlich gegenüber kleinsten Veränderungen – sei es bei der Zusammensetzung des Metallpulvers oder bei den Lasereinstellungen. Schon minimale Abweichungen können die Qualität des Endprodukts beeinträchtigen.

 

Lernen, statt raten

„Um laserbasierte Prozesse flexibler und verlässlicher zu gestalten, arbeiten wir an ihrem besseren Verständnis, ihrer Überwachung und Kontrolle“, erklärt Elia Iseli, Forschungsgruppenleiter bei der Empa. Gemeinsam mit seinen Kollegen Giulio Masinelli und Chang Rajani verfolgt er das Ziel, die Metallverarbeitung mit Laserlicht dank künstlicher Intelligenz (KI) grundlegend zu verbessern.

 

Im Fokus steht zunächst die sogenannte additive Fertigung, ein Verfahren, bei dem dünne Schichten aus Metallpulver mit einem Laser verschmolzen werden. Die Methode, auch als „Powder Bed Fusion“ (PBF) bekannt, erlaubt es, hochkomplexe Bauteile Schicht für Schicht aufzubauen. Doch sie verlangt bisher eine Vielzahl an Tests, um die richtigen Parameter zu finden – etwa die Scan-Geschwindigkeit oder die Laserleistung.

 

Der Grund dafür liegt in den beiden physikalischen Modi, in denen ein Laser arbeiten kann: dem Wärmeleitungsschweißen (Conduction Mode) und dem Tiefschweißen (Keyhole Mode). Je nach Material und Geometrie des Bauteils ist ein anderer Modus optimal – die Übergänge zwischen beiden sind jedoch schwer vorhersehbar. Sogar unterschiedliche Chargen desselben Pulvers können völlig andere Einstellungen erfordern.

 

Algorithmus ersetzt Expertenwissen

Masinelli und Rajani entwickelten ein lernfähiges System, das diese Herausforderung meistert: Ein Algorithmus analysiert optische Sensordaten, die bereits in modernen Lasermaschinen vorhanden sind, und erkennt in Echtzeit, in welchem Schweissmodus der Laser gerade arbeitet. Aus diesen Informationen leitet er automatisch optimierte Parameter für die folgenden Versuche ab. Das Resultat: Die Anzahl der nötigen Vorversuche reduziert sich um etwa zwei Drittel – bei gleichbleibender Produktqualität.

 

„Unser Ziel ist es, die additive Fertigung für eine breitere Anwenderschaft zugänglich zu machen – auch für Unternehmen ohne spezialisierte Fachkräfte“, sagt Masinelli. Der von der Empa entwickelte Algorithmus könnte künftig direkt in die Firmware kommerzieller Laserschweissgeräte integriert werden.

 

Intelligente Steuerung in Echtzeit

Noch einen Schritt weiter gingen die Forscher bei der klassischen Laserschweissung. Hier beeinflusst der Algorithmus nicht nur vorbereitende Tests, sondern greift aktiv in den laufenden Prozess ein. Das ist eine technische Herausforderung, denn zwischen Datenerfassung und Entscheidung darf keine Zeit verloren gehen.

 

Lösung bietet ein sogenannter Field-Programmable Gate Array (FPGA) – ein Spezialchip, der besonders schnell und zuverlässig arbeitet. Während der FPGA in Echtzeit die Laserparameter kontrolliert, lernt ein parallel geschalteter PC-Algorithmus aus diesen Daten und verbessert das Modell kontinuierlich. Sobald die virtuelle Version ausgereift ist, wird sie auf den FPGA übertragen – der Laser wird gewissermaßen mit jeder Anwendung „intelligenter“.

 

Zukunftstechnologie für die Industrie

Die Empa-Forschenden sehen großes Potenzial in der Verbindung von KI und Lasertechnologie. Nicht nur könnten Produktionskosten sinken und Ausschuss minimiert werden – auch neue Anwendungsfelder würden erschlossen. Die Zusammenarbeit mit industriellen Partnern soll die Integration dieser Entwicklungen in reale Fertigungsprozesse beschleunigen.

 

„Maschinelles Lernen ermöglicht es, aus dem Laser ein System mit Augen und Hirn zu machen“, resümiert Rajani. „Die Zukunft der industriellen Fertigung ist nicht nur automatisiert – sie ist intelligent.“

 

 

 

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