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Dunkler werdende Ozeane bedrohen Meeresleben weltweit

DMZ – NATUR ¦ Anton Aeberhard ¦      

 

Neue Studie zeigt dramatische Lichtverluste in den oberen Wasserschichten – weitreichende Folgen für Artenvielfalt und Klimaregulation

 

In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist ein beträchtlicher Teil der Weltmeere deutlich dunkler geworden. Dies geht aus einer umfassenden internationalen Studie hervor, die auf Satellitendaten und ozeanografischen Modellierungen basiert. Die Forscher:innen warnen vor gravierenden Folgen für marine Ökosysteme, globale Fischbestände und den biogeochemischen Kreislauf der Erde.

 

Laut der in Global Change Biology veröffentlichten Studie hat sich zwischen 2003 und 2022 das sogenannte „photonische Band“ – also jener Bereich des Wassers, in dem Sonnen- und Mondlicht noch biologisch wirksam sind – in mehr als einem Fünftel der weltweiten Ozeane deutlich verringert. Betroffen ist eine Fläche von rund 75 Millionen Quadratkilometern, was der Landmasse von Europa, Afrika, China und Nordamerika zusammengenommen entspricht.

 

„Das ist ein ernstzunehmender Weckruf“, erklärt Dr. Thomas Davies, Meeresökologe an der University of Plymouth. „Diese Veränderungen betreffen genau jene obere Wasserschicht, in der etwa 90 Prozent aller bekannten marinen Arten leben. Die Konsequenzen für Nahrungsnetze, Artenverteilung und das globale Klimasystem könnten enorm sein.“

 

Lebenswichtiges Licht schwindet

Der sogenannte photonische Bereich reicht typischerweise bis in eine Tiefe von etwa 200 Metern und stellt den Lebensraum für Phytoplankton dar – mikroskopisch kleine, pflanzenähnliche Organismen, die mittels Photosynthese fast die Hälfte des globalen Sauerstoffs produzieren und die Basis nahezu aller marinen Nahrungsketten bilden.

 

Doch genau dieses lebensnotwendige Licht dringt zunehmend schlechter in die Meere ein. Die Studie zeigt, dass sich die lichtdurchfluteten Zonen in neun Prozent der Weltmeere um mindestens 50 Meter verflacht haben – in 2,6 Prozent der Ozeane sogar um 100 Meter.

 

Als Ursachen gelten an Küsten vor allem verstärkte Nährstoffeinträge durch Regen und Abflüsse sowie sogenannte Auftriebsgebiete, in denen kaltes, nährstoffreiches Wasser aus der Tiefe aufsteigt. In offenen Ozeanen hingegen sehen die Forschenden einen Zusammenhang mit der globalen Erwärmung und veränderten Meeresströmungen.

 

„Vor allem Regionen mit markanten Veränderungen in der Zirkulation – etwa der Südliche Ozean oder die Gewässer entlang des Golfstroms – zeigen auffällige Dunkelungstendenzen“, so Davies.

 

Vielschichtige Folgen für das Ökosystem

Licht ist für viele marine Organismen nicht nur eine Energiequelle, sondern ein biologischer Taktgeber: Es beeinflusst Fortpflanzung, Jagdverhalten und Wanderungszyklen. „Wenn das Licht abnimmt, sind viele Arten gezwungen, in flachere Wasserschichten aufzusteigen“, erklärt Davies. „Doch dort wird der Lebensraum enger – mit möglichen Folgen für Konkurrenz, Nahrungsverfügbarkeit und Stresslevel der Tiere.“

 

Der deutsche Meeresforscher Prof. Oliver Zielinski vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde warnt vor langfristigen systemischen Auswirkungen: „Solche Veränderungen können marine Nahrungsnetze destabilisieren, die Verbreitung von Arten verändern und die Fähigkeit der Ozeane schwächen, das Klima zu regulieren und Biodiversität zu sichern.“

 

Auch Lichtzunahme – doch begrenzt

Interessanterweise stellt die Studie auch in rund zehn Prozent der untersuchten Meeresflächen eine leichte Aufhellung fest – darunter vor der Westküste Irlands. Dies ändert jedoch nichts an der übergeordneten globalen Tendenz: Die Weltmeere werden dunkler – und das in einem Tempo, das viele Wissenschaftler:innen beunruhigt.

 

„Die Ozeane sind unsere größten Klimaregulatoren“, so Zielinski. „Wenn sich ihre physikalischen Eigenschaften in diesem Ausmaß verändern, sind auch wir Menschen direkt betroffen.“

 

Die Forschenden fordern eine stärkere Integration solcher Daten in globale Klimamodelle und nachhaltige Fischereipolitik. Gleichzeitig betonen sie die Dringlichkeit internationaler Anstrengungen zum Klimaschutz und zur Reduktion von Schadstoffeinträgen in die Meere. Denn was unter der Oberfläche geschieht, bleibt für viele unsichtbar – doch seine Auswirkungen reichen bis an unsere Küsten.

 

Quellenhinweis: Grundlage dieses Artikels ist eine in Global Change Biology publizierte Studie sowie Aussagen führender Ozeanografinnen und Ozeanografen, darunter Dr. Thomas Davies (University of Plymouth) und Prof. Oliver Zielinski (Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde).


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