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Ein syrischer Held in Hamburg – und das Schweigen der üblichen Lautsprecher

DMZ –  JUSTIZ ¦ Sarah Koller ¦                 

KOMMENTAR

 

Hamburg – Es ist eine jener Szenen, wie sie sich leider immer häufiger in deutschen Großstädten abspielen: Eine Frau zieht am Hauptbahnhof ein Messer und verletzt wahllos Passanten. 18 Menschen werden verletzt, vier schweben zwischenzeitlich in Lebensgefahr. Doch während Panik auf dem Bahnsteig ausbricht und viele Menschen verständlicherweise die Flucht ergreifen, läuft ein junger Mann direkt auf die Angreiferin zu – und stoppt sie.

 

Sein Name: Muhammad al-Muhammad, 19 Jahre alt, aus Syrien geflüchtet, wohnhaft in Niedersachsen. Ohne zu zögern bringt er sich selbst in Gefahr, um andere zu schützen. Er drückt der Frau die Hände auf den Rucksack, hält sie am Boden fest, bis die Polizei eintrifft. „Wenn du aufstehen, ich schlage!“, soll er laut Spiegel in gebrochenem Deutsch gesagt haben. Die Frau bleibt ruhig, das Messer liegt zu diesem Zeitpunkt bereits auf den Gleisen.

 

Die Polizei bedankt sich mit einem Cappuccino, der junge Syrer freut sich über die kleine Geste. Die Verletzten befinden sich mittlerweile in stabilisiertem Zustand, die Täterin wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.

 

Was bleibt?

Ein klarer Fall von Zivilcourage. Und ein Beweis dafür, dass Herkunft oder Nationalität nichts über Mut, Anstand oder Verantwortungsbewusstsein aussagen. Es ist eine Geschichte, die an Schulen erzählt, in Talkshows besprochen und in sozialen Netzwerken gefeiert werden sollte.

 

Doch wer aufmerksam hinsieht, stellt fest: Viele der sonst so eifrigen politischen Stimmen bleiben diesmal auffallend still. Rechte und rechtspopulistische Kreise, die bei Straftaten durch Menschen mit Migrationsgeschichte sonst lautstark „abschieben!“, „Grenzen dicht!“ oder „Das ist Merkels Erbe!“ rufen, schweigen diesmal. Kein öffentlicher Applaus, keine Dankesrede an den jungen Syrer. Auch in sozialen Netzwerken, wo sonst jeder Vorfall mit fremdenfeindlicher Schlagseite ausgeschlachtet wird, herrscht auffällige Zurückhaltung.

 

Warum ist das so?

Weil die Geschichte nicht ins Weltbild passt. Weil ein syrischer Geflüchteter in dieser Erzählung nicht der Täter, sondern der mutige Helfer ist – ein Held. Und weil dieser Umstand das perfide Narrativ der sogenannten „besorgten Bürger“ und rechter Meinungsmacher unterläuft: Dass Geflüchtete per se eine Bedrohung seien. Hier ist das Gegenteil der Fall – und es entlarvt die Doppelmoral all jener, die sich sonst so gerne als die Hüter von Recht und Sicherheit inszenieren.

 

Die öffentliche Debatte braucht Ehrlichkeit und Maß.

 

Wir müssen über Gewalt sprechen, ja. Wir müssen psychische Erkrankungen ernst nehmen, ebenfalls. Und wir müssen auch Fehlentwicklungen benennen, wenn sie geschehen – ganz gleich, welche Herkunft die Täter oder Täterinnen haben. Aber wir dürfen auch Zivilcourage nicht verschweigen, wenn sie aus den Reihen jener kommt, die sonst oft unter Generalverdacht gestellt werden. Es wäre nicht nur unfair, sondern gefährlich, solche Geschichten kleinzuhalten.

 

Muhammad al-Muhammad hat in einem Moment größter Gefahr das Richtige getan. Er hat gehandelt, wo andere flüchteten.

 

Sein Mut verdient Anerkennung – laut, deutlich und über politische Lager hinweg. Und er ist ein eindringliches Beispiel dafür, dass Menschlichkeit keine Herkunft kennt.

 

 

Die Täterin ist laut Polizei mutmaßlich psychisch krank, stammt aus Niedersachsen und war bereits am Vortag in psychiatrischer Behandlung. Auch das sollte bei der Bewertung der Tat nicht unterschlagen werden – sie ist kein Fall für politische Instrumentalisierung, sondern für medizinische und gesellschaftliche Aufarbeitung.


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