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Wider den Jugendwahn – Nein, alt aussehen ist besser!

Ein zufriedener, 41-jähriger Kunde unserer Firma auf dem Weg zu einer Tanzstunde für Senioren.
Ein zufriedener, 41-jähriger Kunde unserer Firma auf dem Weg zu einer Tanzstunde für Senioren.

DMZ – SATIRE ¦ Peter Biro           Ein zufriedener, 41-jähriger Kunde unserer Firma auf dem Weg zu einer Tanzstunde für Senioren.

 

Von jugendlichem Image geplagt, beschloss ich, endlich alt auszusehen – und wurde erfolgreicher Unternehmer.

 

Nachdem ich mehrmals am Fahrkartenschalter gezwungen war, meine Identitätskarte vorzuweisen, um in den Genuss der Ermässigung für Senioren zu kommen, schwante mir, dass das Problem mein überaus jugendliches Aussehen war. Meine glatte Gesichtshaut, die gesunde Farbe derselben, ferner die reichliche Haarpracht unter der selbstgestrickten Bommelmütze und vielleicht auch meine tadellos aufrechte Haltung mochten mir eine unangemessen jugendliche Aura verliehen haben. Dies wiederum erweckte betreffend der Ermässigungsberechtigung Zweifel beim Schalterbeamten, der mich nach einem unumstösslichen Altersbeweis verlangte.

 

Dieser Umstand trat wiederholt bei allen möglichen Käufen von Fahr-, Eintritts- oder sonstigen Zugangskarten ein. Dank ausgewogener Ernährung, einer überaus gesunden, moderat aktiven Lebensweise und nicht zuletzt durch die liebende Fürsorge meiner Frau sehe ich deutlich jünger aus, als es mein eingetragenes Alter vermuten lässt. Dieser nach landläufiger Meinung eher günstige Umstand begann mich zunehmend zu stören – und ich sann auf Abhilfe.

 

Die Überlegungen, die ich anstellte, um etwas gegen mein jugendliches Erscheinungsbild zu unternehmen, wurden bald zu einem Projekt – und schliesslich zum Ausgangspunkt einer Firmengründung, bei der ich nicht nur der massgebliche Unternehmensgründer war, sondern auch das beste Vorzeigeexemplar für Reklamezwecke.

 

OPA! Ein Startup für beschleunigtes Altern

Die von mir und einigen Stammtischfreunden gegründete Start-up-Firma widmet sich dem modischen Trend der beschleunigten Alterserscheinungen unter dem Oberbegriff und dem Namen für den Modetrend „Obviously Premature Aging“, was sich auch im Firmennamen OPA GmbH widerspiegelt. Wir, die Gründer von OPA, hatten allesamt ähnlich unangenehme Erfahrungen bei einem gemeinsamen Zoobesuch gemacht, als man uns den Zugang zum Affengehege zunächst nur zum vollen Eintrittspreis gewähren wollte.

 

Drum waren wir uns rasch einig: Es müsste eine grosse Zielgruppe für unsere Dienstleistung der verstärkten Alterungserscheinung geben. Schliesslich leben viele Menschen in dem undankbaren Lebensabschnitt zwischen bereits abgeschlossener Jugend und noch nicht sichtbarem Senium. Diese armen Zeitgenossen sind gezwungen, ständig Dokumente mit sich zu führen, um erhoffte Ermässigungen nachzuweisen.

 

Alt wirkt besser – in jeder Beziehung

Ein weiterer, oft unterschätzter Vorteil fortgeschrittenen Alters ist die generelle Bereitschaft, älteren Mitmenschen den Sitzplatz anzubieten – sei es im öffentlichen Verkehr oder in Parkanlagen. Nicht zu vergessen: Ein reifes, ja überreifes Erscheinungsbild verleiht Kompetenz. Wer alt aussieht, gilt automatisch als erfahrener, zuverlässiger und als besonders führungstauglich.

 

Ein Mittdreissiger mit silbergrauer Mähne, sanftem Zittern und nachdenklichem Blick überspringt mit Leichtigkeit jede Karriere-Zwischenstufe und drängt bei der nächsten Chefstellenbesetzung in die pole position– während seine zwar älteren, aber krampfhaft jugendlich auftretenden Konkurrenten leer ausgehen.

 

Ein schlagender Beweis: all die grauhaarigen Firmenchefs und Direktoren, die sich bereits im Greisenalter befinden und sämtliche Hebel der Macht in ihren knorrigen, von Altersflecken übersäten Händen halten.

 

Vom Ächzen zur Akzeptanz: Unser Schulungsprogramm

Zum Dienstleistungsspektrum der OPA GmbH gehören Motivationsvorträge, die dem Publikum die Vorteile und Möglichkeiten künstlich beschleunigter Alterserscheinungen nahebringen. Diese Erkenntnisse lassen sich in einwöchigen Seminaren auf einem abgelegenen Gehöft bei Altendorf (UR) vertiefen. Dort übt man gebücktes Gehen, angestrengt wirkendes, langsames Aufstehen mit überzeugendem Ächzen sowie den gekonnten Einsatz des besorgten Blicks hinter klobigen Bifokalbrillen.

 

Erfahrene Visagisten und Kosmetikerinnen sorgen für prägnante Hautfalten – oder besser: abgrundtiefe Furchen – sowie für eine graue, schütter gemachte Kopfbehaarung. Nasenlöcher und Ohrmuscheln werden mit verfilzten Büscheln nach auswärts spriessenden Haare verziert, ein fahler Teint mit kontrastreichen Pigmentflecken rundet das Bild ab.

 

Verhaltenstherapeuten mit Altersfokus schulen das Umherwerfen besorgter Blicke, wirksam vorgetragenes Zittern und diskretes Rinnenlassen von Speichel aus einem asymmetrisch herunterhängenden Mundwinkel – selbstverständlich unter der Prämisse, dass man es selbst nicht bemerkt.

 

Neu: Die Grufty Boutique – für stilvolle Altersvortäuschung

Ein besonderer Renner ist unsere neue Ladenkette Grufty Boutique, angesiedelt in stadtnahen Einkaufszentren. Sie bietet Accessoires für scheingealterte Karrieristen und Opernenthusiasten mit Ermässigungsabsicht. Hier findet man alles: Schnabeltassen, Inkontinenzzubehör, täuschend echte Seh- und Hörhilfen sowie elegante Gehstöcke mit Elfenbeinknauf.

 

Demnächst geht das Geschäft online. Dann kann sich auch der bewusst immobil auftretende Kunde, den aus schwedischer Eiche gefertigten Klapp-Rollator Tapsig direkt nach Hause liefern lassen.

 

Feldversuch mit Zuckerwatte

Für Testzwecke absolvierte ich die von uns angebotene Schulung und erhielt mein Erfolgszertifikat mit gut lesbarer, übergrosser Beschriftung. Dann brach ich auf in die Welt, um die Wirkung meiner Verwandlung zu erproben.

 

Und siehe da! Der Bus hielt länger, der Fahrer kam mir beim Einsteigen zu Hilfe, verscheuchte einen verpickelten Teenager von seinem Sitz und deckte mich sogar mit seiner Uniformjacke zu. Auf dem Jahrmarkt durfte ich kostenlos Karussell fahren, bekam Zuckerwatte geschenkt und sogar einige Wangenküsschen von enthusiastischen jungen Damen, die mich für einen herzig-jovialen Weihnachtsmann hielten.

 

Natürlich erhielt ich die erwartete ermässigten Eintritt in das Museum für Orthopädische Gehhilfen. Und im Bahnhofsrestaurant durfte einen kostengünstigen Seniorenteller mit ausgewogenen Nährstoffen und bereits vorgeschnittenen Schnitzelschnetzeln bestellen. Die anderen Gäste lauschten ergriffen meinen Erfahrungsberichten zur Weltlage und versprachen feierlich, ihre ins Wanken geratene Weltanschauung entsprechend anzupassen.

 

Fazit: So lässt es sich leben – mit knapp 38 Jahren!


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