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Lernen aus der Pandemie: Warum der Umgang mit COVID-19 ein Vorbild für die Klimakrise sein kann

DMZ – WISSENSCHAFT ¦ S.  Koller

 

Als die Autorin Violet Affleck im Januar 2025 mit ihrer Familie vor den Waldbränden in Los Angeles in ein Hotel flüchtete, erkannte sie in der Katastrophe ein Muster, das vielen noch verborgen blieb: Die Reaktionen auf die Zerstörung wirkten erschreckend vertraut – sie erinnerten an die ersten Monate der COVID-19-Pandemie. In ihrem eindrücklichen Essay „A Chronically Ill Earth: COVID Organizing as a Model Climate Response in Los Angeles“, veröffentlicht in der Yale Global Health Review, zieht Affleck eine eindrucksvolle Parallele zwischen dem gesellschaftlichen Umgang mit COVID-19 und der eskalierenden Klimakrise.

 

Affleck beschreibt, wie das fehlende Verständnis für systemische Zusammenhänge – etwa zwischen Klimawandel, Pandemien und gesellschaftlicher Resilienz – nicht nur zu wiederkehrenden Krisen führt, sondern auch deren Bewältigung erheblich erschwert. Statt auf langfristige Strategien zu setzen, dominiert eine Haltung der Rückkehr zur vermeintlichen Normalität – koste es, was es wolle.

 

Der Artikel zeigt anhand konkreter Daten und sozialer Analysen, wie unzureichend die öffentliche Reaktion auf COVID-19 letztlich war – nicht etwa, weil es an Wissen mangelte, sondern weil strukturelle Ungleichheiten, wirtschaftliche Interessen und politische Kurzsichtigkeit langfristige Lösungen blockierten. Das Resultat: anhaltend hohe Infektionszahlen, chronische Erkrankungen wie Long COVID und eine zunehmende soziale Spaltung.

 

Besonders eindringlich wird Afflecks Text dort, wo sie den Umgang mit Long COVID als Spiegel für den gesellschaftlichen Umgang mit chronischen Herausforderungen deutet – seien sie gesundheitlicher oder ökologischer Natur. Die Krankheit ME/CFS, die bei rund der Hälfte der Long-COVID-Betroffenen auftritt, veranschaulicht, wie wichtig es ist, Systeme auf „Pacing“ statt auf akute Krisenreaktion auszurichten: auf vorausschauende, nachhaltige Anpassung statt auf hektisches Gegensteuern nach dem Zusammenbruch.

 

Dabei betont Affleck auch die Rolle marginalisierter Gruppen, insbesondere behinderter und chronisch kranker Menschen, in der Organisation von Hilfsstrukturen. Gruppen wie MaskBlocLA, die aus der COVID-Solidaritätsarbeit hervorgingen, konnten in Los Angeles schneller auf die durch Brände verursachte Luftkrise reagieren als offizielle Stellen. Dieses Engagement sei kein Zufall, sondern das Ergebnis eines gelebten Prinzips von Fürsorge, Vernetzung und Vorbereitung – ein Modell, das auch der Klimapolitik gut zu Gesicht stünde.

 

Die Autorin fordert ein Umdenken: Statt erst zu handeln, wenn eine Stadt in Flammen steht oder ein Gesundheitssystem überfordert ist, müssten Gesellschaften lernen, präventiv und solidarisch zu agieren. Dazu gehören strukturelle Maßnahmen wie universelle Gesundheitsversorgung, flächendeckende saubere Luft in Innenräumen und sozial gerechte Klimapolitik ebenso wie die Anerkennung der Erfahrungen jener, die seit Jahren mit chronischen Belastungen leben – und Überlebensstrategien entwickelt haben, die künftig allen dienen könnten.

 

Afflecks Appell ist klar: Wer Krisen verhindern will, muss ihnen zuvorkommen – nicht nur mit Technik, sondern mit einem neuen Verständnis von Gerechtigkeit, Solidarität und Verantwortung. Die Klimakrise sei nicht nur eine ökologische, sondern eine soziale Herausforderung. Ihre Bewältigung hängt davon ab, ob wir bereit sind, von denjenigen zu lernen, die gelernt haben, mit chronischer Unsicherheit zu leben – und daraus ein nachhaltiges System der Resilienz aufgebaut haben.

 

 

Quellen (mit Direktlinks):


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