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Ein internationales Forschungsteam entwickelt neuartige Nanomedikamente, die Entzündungen in der Schwangerschaft gezielt bekämpfen – ohne das Ungeborene zu gefährden.
Wenn werdende Mütter krank werden, ist Vorsicht geboten. Denn was gegen Entzündungen hilft, kann zugleich das Ungeborene gefährden. Medikamente, die für die Allgemeinbevölkerung gut verträglich sind, können in der Schwangerschaft ungeahnte Risiken bergen – von Entwicklungsstörungen bis hin zu Frühgeburten. Doch nun macht ein internationales Forschungsteam Hoffnung: Mithilfe modernster Nanotechnologie sollen künftig gezielte Therapien möglich sein, die sowohl die Mutter schützen als auch das Kind im Bauch schonen.
Am Forschungsprojekt beteiligt sind unter anderem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Empa in St. Gallen, der ETH Zürich, des Kantonsspitals St. Gallen sowie der Zhejiang-Universität in China. Finanziert wird das Vorhaben vom Schweizerischen Nationalfonds. Das Ziel: sogenannte Nanozyme – winzige, synthetische Partikel mit enzymähnlichen Eigenschaften – so zu gestalten, dass sie Entzündungen in der Plazenta bekämpfen, ohne die Schwangerschaft zu beeinträchtigen.
Mini-Medikamente mit großer Wirkung
Nanozyme bestehen aus einem nanostrukturierten Kern, etwa auf Metallbasis, und einer maßgeschneiderten Hülle, die für Stabilität und gezielte Wirkung sorgt. Schon heute werden solche Partikel in der Krebsmedizin getestet. Für die Anwendung in der Schwangerschaft gehen die Forschenden nun noch einen Schritt weiter: Die Nanopartikel sollen gewissermaßen „schlummern“, solange keine Entzündung vorliegt – und nur dann aktiv werden, wenn Gefahr besteht, etwa durch bakterielle Infektionen oder eine Überreaktion des Immunsystems.
„Wir wollen ein System entwickeln, das präzise unterscheidet, wann und wo es wirken soll“, erklärt Nikolaos Tagaras, Empa-Forscher im Bereich „Nanomaterials in Health“. Dabei könnten die Nanozyme gefährliche reaktive Sauerstoffverbindungen neutralisieren oder gezielt Bakterien abtöten – ohne andere Körperprozesse zu stören.
Wie sicher ist das für Mutter und Kind?
Damit die vielversprechende Theorie auch medizinisch vertretbar wird, prüfen die Forschenden die neuen Substanzen unter strengsten Bedingungen. Dabei setzen sie auf Labormodelle, die so nah wie möglich an den menschlichen Organismus herankommen. Eine besondere Rolle spielt dabei das sogenannte Plazenta-Modell, das mit menschlichem Gewebe aus Kaiserschnitten arbeitet. „Nur so können wir verlässlich beurteilen, wie sich die Nanozyme in der Plazenta verhalten – ob sie die Schranke zur kindlichen Seite überwinden und welche Auswirkungen das hat“, sagt Projektleiterin Dr. Tina Bürki.
Ergänzt wird dieses Modell durch einen innovativen Plazenta-Chip: ein winziger Kunststoff-Chip, auf dem menschliche Zellen so wachsen, dass sie die Plazenta-Schranke simulieren. Auf diesem Weg lässt sich nicht nur erfassen, wie gut die Nanomedikamente transportiert werden – auch mögliche Auswirkungen auf die embryonale Entwicklung können realitätsnah getestet werden.
Erste Tests stimmen zuversichtlich
Die bisherigen Ergebnisse lassen aufhorchen: In den Labormodellen zeigten die Nanozyme bislang keine negativen Auswirkungen. Weder wurde die empfindliche Plazentaschranke durchlässiger, noch ließen sich Schäden an den embryonalen Zellmodellen feststellen. „Das ist ein wichtiger Schritt“, sagt Tagaras. In der nächsten Phase will das Team nun die konkrete entzündungshemmende und antibakterielle Wirkung genauer untersuchen.
Sollten sich die positiven Resultate bestätigen, könnte die Nanomedizin künftig ein medizinisches Dilemma lösen: Schwangere Frauen sicher behandeln zu können, ohne das ungeborene Kind einem unnötigen Risiko auszusetzen. Der Weg bis zur klinischen Anwendung ist zwar noch weit – doch die Richtung ist klar.
Hintergrund: Was sind Nanozyme?
Nanozyme sind künstlich hergestellte Nanopartikel mit Funktionen, die natürlichen Enzymen ähneln. Je nach Aufbau können sie beispielsweise schädliche Stoffwechselprodukte abbauen oder Krankheitserreger bekämpfen. In der Medizin gelten sie als Hoffnungsträger für personalisierte und nebenwirkungsarme Therapien – nun auch in der besonders sensiblen Phase der Schwangerschaft.
Quellen:
Tagaras, N. et al. (2024): Safety Landscape of Therapeutic Nanozymes and Future Research Directions, Advanced Science. DOI: 10.1002/advs.202407816
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