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EU-Abgeordnete fordern vollständigen Stopp der EU-Zahlungen an Ungarn

Viktor Orbán (Quelle: miniszterelnok.hu)
Viktor Orbán (Quelle: miniszterelnok.hu)

DMZ – INTERNATIONAL¦ S. Koller Viktor Orbán (Quelle: miniszterelnok.hu)

 

Brüssel/Budapest – In einem parteiübergreifenden Appell fordern zahlreiche Mitglieder des Europäischen Parlaments die Europäische Kommission auf, sämtliche Zahlungen aus dem EU-Haushalt an Ungarn unverzüglich einzustellen. Hintergrund sind anhaltende Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien sowie die gezielte Unterdrückung von Minderheiten, Medien und zivilgesellschaftlichen Organisationen durch die Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán.

 

Die Initiative geht maßgeblich vom Grünen-Abgeordneten Daniel Freund aus, der sich seit Jahren für den Schutz der Rechtsstaatlichkeit innerhalb der EU engagiert. „Wir sehen jede Woche neue Angriffe auf Grundfreiheiten – auf freie Medien, auf unabhängige Gerichte, auf zivilgesellschaftliches Engagement“, erklärte Freund gegenüber Medien. Die bisherigen Sanktionen, die unter anderem zur Blockade von Milliardenhilfen geführt hatten, hätten keinerlei Wirkung gezeigt. Nun müsse „ein klarer Schlussstrich gezogen“ werden, so der Abgeordnete.

 

Auch Parlamentarierinnen und Parlamentarier der Christdemokraten (EVP), der Sozialdemokraten (S&D), der Liberalen (Renew Europe) und der Grünen unterstützen den Appell. Der FDP-Politiker Moritz Körner formulierte es drastisch: „Wer sich null um die Achtung der EU-Werte kümmert, hat null Euro aus dem EU-Budget verdient.“ Es gehe nicht nur um politische Prinzipien, sondern auch um den Schutz des europäischen Steuerzahlers, so Körner weiter.

 

Eskalation der Repression in Ungarn

Die Forderung der Abgeordneten erfolgt vor dem Hintergrund einer zunehmenden politischen Repression in Ungarn. Erst Mitte März hatte die ungarische Regierung ein Gesetz verabschiedet, das die Versammlungsfreiheit massiv einschränkt und unter anderem ein Verbot der für Juni geplanten Pride-Parade beinhaltet. Dieses Verbot trifft insbesondere die LGBTQ+-Gemeinschaft und wird von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert.

 

Noch brisanter ist ein Gesetzespaket, das die Arbeit nichtstaatlicher Organisationen drastisch erschwert. Am 13. Mai verabschiedete das ungarische Parlament eine Regelung, die es der Regierung ermöglicht, NGOs auf eine sogenannte „schwarze Liste“ zu setzen. Betroffene Organisationen können damit nicht nur finanziell ausgetrocknet, sondern auch mit Sanktionen belegt werden. Die Regierung begründet das Vorgehen mit dem Schutz der nationalen Souveränität – Kritiker sprechen hingegen von einem Frontalangriff auf die Zivilgesellschaft.

 

Tausende Menschen hatten bereits am 18. Mai in Budapest gegen die repressiven Maßnahmen protestiert. Unter dem Motto „Freiheit statt Angst“ forderten sie die Rücknahme der Gesetze und ein Ende der autoritären Politik. Zahlreiche internationale Beobachter sehen in der Entwicklung eine systematische Aushöhlung demokratischer Strukturen.

 

EU-Kommission unter Handlungsdruck

Die EU-Kommission hat in der Vergangenheit mehrere Verfahren gegen Ungarn eingeleitet, darunter ein sogenanntes Artikel-7-Verfahren wegen Verletzung der Grundwerte der Union. Doch die bisherigen Instrumente greifen nach Ansicht vieler Parlamentarier zu kurz. Der nun übermittelte Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen könnte neuen politischen Druck ausüben, insbesondere da er von einer breiten Mehrheit im Parlament getragen wird.

 

Rechtswissenschaftler wie Kim Lane Scheppele von der Princeton University argumentieren seit Jahren, dass finanzielle Sanktionen eine der wenigen wirksamen Hebel gegenüber autoritären Tendenzen in Mitgliedstaaten darstellen könnten. Auch die EU-eigene Anti-Betrugsbehörde OLAF hatte in der Vergangenheit mehrfach auf systemische Korruption und Missbrauch von EU-Mitteln in Ungarn hingewiesen [vgl. OLAF-Bericht 2022: https://ec.europa.eu/anti-fraud/media-corner/news/olaf-report-2022_en].

 

Ob die Kommission dem Appell des Parlaments nachkommt, bleibt offen. Beobachter verweisen jedoch darauf, dass Brüssel angesichts der wachsenden öffentlichen und politischen Kritik kaum noch länger untätig bleiben könne.

 

 

 

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