
DMZ – GESUNDHEIT ¦ MM ¦ AA ¦
Ein Bericht zur Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2022 zeigt: Geschlechtsspezifische Ungleichheiten prägen das Gesundheitsbild der Bevölkerung – biologisch, gesellschaftlich und sozial.
Neuchâtel, 19. Mai 2025 – Die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung unterscheidet sich je nach Geschlecht markant. Wie die aktuelle Auswertung der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2022 (SGB22) des Bundesamts für Statistik (BFS) zeigt, betreffen viele chronische Beschwerden überdurchschnittlich häufig Frauen, während Männer stärker mit Übergewicht und Tabakkonsum kämpfen. Die Erhebung unterstreicht dabei, dass nicht nur biologische Faktoren, sondern auch gesellschaftlich verankerte Rollenbilder einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit haben.
Chronische Erkrankungen, Schmerzen und Einschränkungen: Frauen stärker betroffen
Obwohl Frauen in der Schweiz mit durchschnittlich 85,4 Jahren eine um 3,8 Jahre höhere Lebenserwartung bei Geburt aufweisen als Männer (81,6 Jahre), verbringen sie einen grösseren Teil ihres Lebens mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Der Unterschied bei der Lebenserwartung in guter Gesundheit fällt mit 0,4 Jahren (72,1 vs. 71,8 Jahre) deutlich geringer aus.
Rund 55 Prozent der Frauen gaben an, mit mindestens einer chronischen Krankheit zu leben – im Vergleich zu 44 Prozent der Männer. Auch Alltagsbeeinträchtigungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten (30 % gegenüber 24 %) und Schmerzen, insbesondere im Rücken- oder Kreuzbereich (50 % gegenüber 40 %), sind bei Frauen häufiger.
Gewicht und Körperbild: Die Kluft zwischen objektiver Gesundheit und subjektiver Zufriedenheit
Übergewicht und Adipositas betreffen Männer deutlich häufiger als Frauen – 52 Prozent gegenüber 34 Prozent. Dennoch sind Frauen unzufriedener mit ihrem Körpergewicht: 28 Prozent gegenüber 23 Prozent bei den Männern, bei Übergewichtigen sogar 52 gegenüber 29 Prozent. Die Statistik deutet darauf hin, dass gesellschaftliche Schönheitsnormen – insbesondere für Frauen – eine zentrale Rolle beim Körperbild spielen. Während bei Männern ein kräftiger Körper oft mit Stärke assoziiert wird, gilt bei Frauen ein schlanker Körper nach wie vor als Schönheitsideal.
Rauchen: Die Lücke schliesst sich
Auch beim Tabakkonsum nähern sich die Geschlechter an. Während 1992 noch 13 Prozentpunkte zwischen rauchenden Männern und Frauen lagen, ist dieser Unterschied 2022 auf 6 Prozentpunkte geschrumpft (27 % Männer, 21 % Frauen). Bei den 15- bis 24-Jährigen ist der Unterschied sogar praktisch verschwunden. Die Angleichung wird ebenfalls gesellschaftlich erklärt: Frauen begannen historisch gesehen später mit dem Rauchen – auch bedingt durch frühere gesellschaftliche Tabus. Die langfristigen gesundheitlichen Folgen zeigen sich daher bei Frauen erst mit zeitlicher Verzögerung.
Psychische Gesundheit: Junge Frauen besonders belastet
Besorgniserregend sind die Ergebnisse zur psychischen Gesundheit, insbesondere bei jungen Frauen. Insgesamt berichteten 12 Prozent der Frauen von mittelschweren bis schweren depressiven Symptomen – verglichen mit 8 Prozent der Männer. In der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen liegt der Anteil bei 26 Prozent der Frauen, bei den gleichaltrigen Männern lediglich bei 13 Prozent. Auch die Inanspruchnahme psychotherapeutischer Behandlungen war bei jungen Frauen dreimal so häufig.
Die Ursachen sind vielfältig: Neben hormonellen Veränderungen in der Pubertät spielen psychosoziale Belastungen eine zentrale Rolle. Frauen sind häufiger von Sexismus und sexueller Belästigung betroffen – sei es am Arbeitsplatz oder im öffentlichen Raum. Darüber hinaus tragen sie nach wie vor den Hauptanteil der unbezahlten Haus- und Familienarbeit, was ihre psychische Belastung zusätzlich erhöht.
Soziale Normen und Unsichtbares: Der Einfluss gesellschaftlicher Rollenmuster
Die SGB22 macht deutlich: Gesundheit ist nicht nur eine Frage der Biologie, sondern auch der gesellschaftlichen Bedingungen. Geschlechtsspezifische Rollenbilder beeinflussen Verhalten, Körperwahrnehmung, Lebensstil und Belastung – und verstärken soziale Ungleichheiten.
Besonders vulnerable Gruppen wie geschlechtlich oder sexuell diverse Personen sind noch stärker von psychischen Problemen betroffen als cisgeschlechtliche Frauen und Männer. Auch dies weist auf strukturelle Benachteiligungen hin, die dringend mehr Aufmerksamkeit benötigen.
Fazit
Die Ergebnisse der Gesundheitsbefragung 2022 zeichnen ein differenziertes Bild von Gesundheit in der Schweiz. Sie zeigen nicht nur, wo gesundheitliche Risiken geschlechterspezifisch verteilt sind, sondern verdeutlichen auch, wie sehr gesellschaftliche Normen und Rollenbilder auf die Gesundheit einwirken. Gesundheitsförderung und Prävention müssen diese Unterschiede künftig stärker berücksichtigen – nicht nur in medizinischen, sondern auch in politischen und sozialen Massnahmen.
Herausgeber
admin.ch, www.bfs.admin.ch
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