
DMZ – FORSCHUNG ¦ A. Aeberhard
Internationale Forschergruppe identifiziert mithilfe der Nagelfalz-Videokapillarmikroskopie signifikante Unterschiede zwischen Long-COVID-Patientinnen und vollständig Genesenen.
Rom/Wien – Long COVID stellt nach wie vor eine erhebliche medizinische Herausforderung dar – für Forschung, Diagnostik und Therapie gleichermaßen. Eine neue, multizentrische Studie unter Leitung der Arbeitsgruppe für Kapillaroskopie und Mikrozirkulation der Italienischen Gesellschaft für Rheumatologie liefert nun überzeugende Hinweise auf anhaltende Schäden in der Mikrozirkulation bei Long-COVID-Betroffenen. Erfasst wurden diese mithilfe der Nagelfalz-Videokapillarmikroskopie (NVC), einer bewährten Methode zur Untersuchung kleinster Blutgefäße. Die Ergebnisse könnten neue Ansätze für Diagnose und Behandlung ermöglichen.
Mikrogefäßveränderungen noch über ein Jahr nach Infektion nachweisbar
Untersucht wurden insgesamt 193 Personen: 62 Long-COVID-Betroffene ohne systemische Sklerose (non-SSc-LC), 24 mit systemischer Sklerose (SSc-LC), 23 vollständig genesene COVID-19-Patientinnen ohne Long-COVID-Symptome (RC) sowie 84 gesunde Kontrollpersonen (CNT), jeweils alters- und geschlechtsangepasst. Bei Long-COVID-Betroffenen zeigten sich in der NVC deutlich häufiger geweitete Kapillaren, Mikroblutungen, unregelmäßige Kapillarformen und eine signifikant verringerte Kapillardichte im Vergleich zu den übrigen Gruppen.
Besonders aufschlussreich: In jenen Fällen, in denen NVC-Bilder sowohl vor als auch nach einer COVID-19-Erkrankung vorlagen, konnten neue Gefäßveränderungen eindeutig der Infektion zugeordnet werden – selbst noch 12 bis 18 Monate nach der akuten Phase.
Keine bleibenden Schäden bei vollständig Genesenen
Im Gegensatz dazu wiesen vollständig genesene Personen ohne Long-COVID-Symptome nach einem Jahr weitgehend normale Kapillarstrukturen auf – abgesehen von leicht erweiterten Kapillaren, die jedoch als unspezifisch gelten. Laut den Autorinnen und Autoren der Studie deutet dieser Befund darauf hin, dass die Mikrozirkulation eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Long COVID spielen könnte.
Long COVID – eine Erkrankung der Gefäßinnenwände?
Die Ergebnisse stützen die Hypothese, dass Long COVID zumindest teilweise auf eine anhaltende Funktionsstörung des Endothels – der inneren Zellschicht von Blutgefäßen – zurückzuführen ist. Dies könnte erklären, warum viele Betroffene unter unspezifischen, aber belastenden Symptomen wie Erschöpfung, Atemnot, kognitiven Einschränkungen oder Kreislaufproblemen leiden. Die Daten sprechen für eine anhaltende entzündliche Reaktion im Körper, die zu chronischen Schäden der Gefäßstruktur führt – unabhängig davon, ob eine Vorerkrankung wie systemische Sklerose vorliegt.
Relevanz für klinische Praxis und Forschung
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir Long COVID sichtbar machen können“, erklärt Dr. Laura Cantarini, eine der leitenden Studienautorinnen. „Die mikrozirkulatorischen Veränderungen lassen sich objektiv und reproduzierbar messen. Damit wird die Nagelfalzkapillarmikroskopie zu einem potenziell wertvollen Instrument für die Langzeitbeobachtung von COVID-19-Folgen.“
Auch für die Forschung ergeben sich neue Perspektiven: Die NVC könnte nicht nur bei der Diagnose, sondern auch bei der Bewertung therapeutischer Maßnahmen eingesetzt werden. Dass eine vollständige Normalisierung der Kapillardichte möglich ist, eröffnet zudem Hoffnung auf Heilung – auch wenn dies nicht bei allen Betroffenen beobachtet wurde.
Kapillarveränderungen als potenzieller Biomarker
Insgesamt stellt die Studie einen wichtigen Meilenstein im Verständnis der langfristigen Auswirkungen von COVID-19 dar. Sie macht deutlich, dass Long COVID nicht allein auf subjektiv empfundene Beschwerden zurückzuführen ist, sondern objektiv messbare physiologische Veränderungen zugrunde liegen. Die Forschenden betonen jedoch, dass weitere prospektive Studien nötig sind, um den Zusammenhang zwischen den beobachteten Gefäßveränderungen, klinischen Symptomen und möglichen Therapien genauer zu untersuchen.
Fazit: Die Langzeitfolgen von COVID-19 zeigen sich auch auf der Ebene der kleinsten Blutgefäße. Die Videokapillarmikroskopie eröffnet neue Möglichkeiten, Long COVID besser zu verstehen – und zukünftig vielleicht gezielter zu behandeln.
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E.W. (Donnerstag, 15 Mai 2025 20:40)
https://www.dmz-news.eu/2025/05/15/langzeitfolgen-von-covid-19-erstmals-sichtbar-gemacht-neue-studie-belegt-anhaltende-mikrogef%C3%A4%C3%9Fsch%C3%A4den-bei-long-covid-betroffenen/
Die Nagelfalz-Mikroskopie zum Sichtbarmachen von Veränderungen der Kapillare und des Endothels bei Post Covid ist KEIN neues Verfahren. Es wird schon seit längerem vom Angiologen Dr. Michael Kacik/ Münster angewandt und auf Konferenzen vorgestellt.
https://www.pro-vascular.de/diagnostische-leistungen/kapillarmikroskopie