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Wenn Verantwortung gefragt ist – Kinder, Corona und der Umgang mit Fakten

DMZ – WISSENSCHAFT ¦ A. Aeberhard

 

Die Aussagen eines Kinderarztes zur Pandemie zeigen, wie wichtig Einordnung, Faktenwissen und Verantwortung sind – gerade im Umgang mit Kindern.

 

In der Berichterstattung über die Kinderarztpraxis von Gürcan Aydincioglu in Werl wird ein vertrautes Narrativ wiederholt: Die Pandemie habe Kindern vor allem geschadet, Schulschließungen und Maskenpflicht seien verantwortlich für psychische Auffälligkeiten, Sprachstörungen und mehr. Diese Darstellung jedoch greift nicht nur zu kurz, sie widerspricht auch dem aktuellen Stand der Forschung.

 

Belastungen ja – aber differenziert

Zweifelsohne war die Pandemie für Kinder und Jugendliche belastend. Studien wie die COPSY-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf belegen dies. Doch sie zeigen auch: Die Belastung entstand nicht primär durch Maßnahmen wie Maskenpflicht oder Schulschließungen, sondern durch die Gesamtsituation – die Bedrohung durch das Virus, Unsicherheit in den Familien, wirtschaftliche Ängste und fehlende soziale Strukturen.

 

Die Schutzmaßnahmen dienten nicht nur dem Infektionsschutz – sie verhinderten auch schwerwiegende Verläufe, insbesondere bei Risikogruppen, zu denen auch Kinder mit Vorerkrankungen zählen.

 

„Die Maßnahmen waren belastend, aber notwendig. Wer ihre Wirkung heute pauschal negiert, blendet zentrale medizinische Erkenntnisse aus.“

– (Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, DGPI)

 

Kein Anstieg der Sprachstörungen durch Masken

Die Behauptung, dass Maskenpflicht zu einer „Explosion“ von Sprachproblemen geführt habe, ist nicht belegt. Sprachentwicklungsstörungen bei Kindern aus mehrsprachigen Haushalten sind seit langem bekannt und systemisch bedingt. Auch vor der Pandemie forderten Expertinnen und Experten bessere Sprachförderung in Kitas und Schulen – unabhängig von Corona.

 

Dass Essstörungen und Schulangst zugenommen hätten, wird häufig behauptet, doch Studien zeigen ein anderes Bild: Zwar wurden mehr Hilfsangebote in Anspruch genommen, doch das liegt auch an gewachsenem Problembewusstsein und besseren Diagnoseverfahren. Die tatsächliche Prävalenz ist deutlich schwerer festzustellen – und keineswegs ausschließlich durch Maßnahmen erklärbar.

 

„Corona war keine Kinderkrankheit“ – stimmt nicht

Die Behauptung, Corona sei „keine Erkrankung der Kinder“, ist schlicht falsch. Zwar verlaufen viele Infektionen bei Kindern mild, doch schwere Verläufe und Spätfolgen – etwa das Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS) oder Long COVID – sind belegt. Dass Kinder zudem Überträgerinnen und Überträger waren, steht außer Frage. Die Maßnahmen schützten somit nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Kinder selbst.

 

Verantwortung in der Kommunikation

Wenn Ärztinnen und Ärzte mit öffentlichem Auftreten pauschale Schuldzuweisungen formulieren, ohne den Stand der Wissenschaft zu berücksichtigen, ist das nicht nur irreführend, sondern gefährlich. Medien tragen ebenso Verantwortung: Aussagen, die auf Einzelbeobachtungen beruhen, dürfen nicht unkritisch verbreitet werden.

 

Denn: Die Herausforderungen für Kinder und Jugendliche heute – psychische Belastungen, soziale Ungleichheit, Bildungsnachteile – sind real. Doch sie sind nicht allein die Folge der Pandemie oder ihrer Maßnahmen. Vieles davon hat sich lediglich stärker gezeigt – und verlangt nun nach politischen Antworten.

 

Wer Ursachen falsch zuordnet, behindert notwendige Lösungen.


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