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Verfassungsschutzbericht: AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft

DMZ –  JUSTIZ ¦ Sarah Koller ¦   

 

Ein umfassendes Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das nun öffentlich vorliegt, stuft die Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ ein. Das über 1.000 Seiten starke Dokument, das auch unserer Redaktion vorliegt, zeichnet ein detailliertes Bild der Radikalisierung der Partei und ihrer Verflechtungen mit rechtsextremen Netzwerken. Die Veröffentlichung des Gutachtens, das lediglich als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft ist, hat weitreichende politische und rechtliche Implikationen.

 

Belege aus öffentlichen Quellen

Das Gutachten basiert fast ausschließlich auf öffentlich zugänglichen Informationen, darunter Parteiprogramme, Reden, Social-Media-Beiträge und Wahlkampfmaterial. Diese niedrige Geheimhaltungsstufe deutet darauf hin, dass der Verfassungsschutz von Anfang an mit einer öffentlichen Debatte und gerichtlichen Auseinandersetzungen rechnete. Nachrichtenmittel, falls eingesetzt, werden nicht offengelegt – vermutlich, weil sie zur Beweisführung nicht erforderlich waren. Die Fülle an öffentlichen Aussagen von AfD-Funktionären reicht offenbar aus, um die rechtsextreme Ausrichtung der Partei zu belegen.

 

Drei Trends: Erfolg, Professionalisierung, Radikalisierung

Der Bericht identifiziert drei zentrale Entwicklungen der AfD seit dem letzten Gutachten von 2021, das die Partei noch als „Verdachtsfall“ einordnete:

  • Gestiegener Erfolg: Die AfD hat seit 2022 an Wählerzuspruch und Mitgliederzahlen gewonnen. Finanzielle und organisatorische Ressourcen, etwa durch die verdoppelte Bundestagsfraktion, sind deutlich gewachsen.
  • Professionalisierung: Die Partei hat ihre internen Strukturen und Konfliktbewältigung optimiert, was ihre Schlagkraft erhöht.
  • Ideologische Radikalisierung: Die AfD zeigt eine zunehmende ideologische Geschlossenheit, die sich in immer schärferen rechtsextremen Positionen widerspiegelt.

 

Ethnisch geprägter Volksbegriff

Im Zentrum der Kritik steht der von der AfD vertretene Volksbegriff, der laut Verfassungsschutz ethnisch-abstammungsmäßig definiert ist. Die Partei unterscheidet zwischen „autochthonen“ Deutschen und eingebürgerten oder migrantenstämmigen Deutschen, selbst wenn diese die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Solche Unterscheidungen, etwa in Aussagen über „Ersetzungsmigration“ oder „Umvolkung“, verstoßen laut Gutachten gegen den im Grundgesetz verankerten, inklusiven Volksbegriff.

 

Besonders problematisch sind Forderungen nach „Remigration“, die in Parteiprogrammen und Reden – etwa von Parteichefin Alice Weidel – auftauchen und oft in fremdenfeindlichem Kontext verwendet werden.

 

Diskriminierende Programmatik

Während das offizielle Parteiprogramm der AfD gemäßigter formuliert ist, identifiziert der Verfassungsschutz diskriminierende Absichten. Beispielsweise fordert das Wahlprogramm der AfD Sachsen für die Landtagswahl 2024 ein „Babybegrüßungsgeld“ ausschließlich für Eltern mit alleiniger deutscher Staatsbürgerschaft. Ebenso wird eine Begrenzung des Anteils nichtdeutschsprachiger Kinder in Kitas auf 10 Prozent gefordert, was laut Gutachten eine menschenwürdewidrige Ungleichbehandlung darstellt. Solche Maßnahmen zielen darauf ab, bestimmte Gruppen systematisch auszuschließen und ihnen einen minderen rechtlichen Status zuzuschreiben.

 

Muslimfeindlichkeit als Programm

Ein weiterer Vorwurf betrifft die gezielte Diskriminierung von Muslimen. Das Bundestagswahlprogramm der AfD fordert ein Verbot von Minaretten, des Muezzinrufs und des Kopftuchs in öffentlichen Einrichtungen. Der Verfassungsschutz verweist auf Gerichtsurteile, die solche Forderungen als Verletzung der Menschenwürde werten, da sie Muslime allein aufgrund ihres Glaubens benachteiligen. Ein Kopftuchverbot würde zudem den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken oder Rathäusern erschweren.

 

Verflechtungen mit rechtsextremen Netzwerken

Das Gutachten legt umfangreiche Verbindungen der AfD zu rechtsextremen Organisationen offen, darunter die „Identitäre Bewegung“, der Verein „Ein Prozent“, das „Institut für Staatspolitik“ und das Magazin „Compact“. Diese Verflechtungen zeigen sich in gemeinsamen Veranstaltungen, personellen Überschneidungen und finanziellen Zuwendungen. So flossen zwischen 2017 und 2022 über 294.000 Euro von AfD-Fraktionen und Landesverbänden an die Archetyp GmbH, die dem Verein „Ein Prozent“ zugeordnet ist. Auch die „Junge Alternative“ (JA), die 2023 als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde, bleibt trotz formaler Auflösung einflussreich. Funktionäre betonen, dass die JA inhaltlich in einer neuen Jugendorganisation weiterlebt.

 

Rechtliche und politische Konsequenzen

Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem könnte die Grundlage für ein Verbotsverfahren bilden, auch wenn dies rechtlich komplex ist. Bereits jetzt wird vor Gerichten über die Einstufung gestritten, und ein solches Verfahren könnte Jahre dauern. Die AfD selbst wiegelt ab und bezeichnet das Gutachten als bloße Zitatensammlung, die durch Meinungsfreiheit gedeckt sei. Der Verfassungsschutz widerspricht: Die dokumentierten Aussagen und Programmpunkte zeigten klar verfassungsfeindliche Bestrebungen.

 

Fazit

Das Gutachten des Verfassungsschutzes liefert eine fundierte Grundlage für die Debatte über die AfD und ihre Rolle im demokratischen System. Es zeigt eine Partei, die nicht nur an Einfluss gewinnt, sondern sich ideologisch zunehmend radikalisiert und mit rechtsextremen Akteuren vernetzt. Die öffentliche Diskussion und die anstehenden Gerichtsverfahren werden zeigen, welche Konsequenzen dies für die politische Landschaft Deutschlands hat.


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