
DMZ – MEDIEN ¦ Sarah Koller ¦
Mit dem Beitrag „Was Kinder aus der Pandemie mitgenommen haben“ reiht sich das WDR-Format Quarks in eine bedenkliche Tendenz ein: die nachträgliche Verzerrung der Pandemiewirklichkeit. Der Beitrag legt nahe, dass die Schutzmaßnahmen – insbesondere Lockdowns und Schulschließungen – Kindern nachhaltig geschadet hätten und man diese besser unterlassen hätte. Diese Sichtweise greift zu kurz und wird der wissenschaftlichen Faktenlage nicht gerecht.
Zwar ist es unstrittig, dass Kinder und Jugendliche durch die Pandemiezeit stark belastet waren. Doch monokausale Erklärungen, wonach Schutzmaßnahmen allein dafür verantwortlich seien, greifen zu kurz. Studien – etwa der Universitätsmedizin Frankfurt – zeigen, dass viele Menschen die Lockdown-Zeit auch als entlastend erlebt haben: mit weniger Alltagsstress, mehr Zeit für die Familie und sogar positiven Effekten auf das subjektive Wohlbefinden.
Eine Untersuchung der Universidad Autónoma de Madrid ergab, dass Studierende während des Lockdowns bessere Leistungen erzielten, was auf veränderte Lernstrategien zurückgeführt wurde.
Eine Studie des Leibniz-Instituts Frankfurt zeigt, dass Kinder, denen während des Lockdowns mehr Entscheidungsfreiheit eingeräumt wurde, ein besseres Wohlbefinden zeigten. Auch das Familienklima verbesserte sich, wenn Eltern ihren Kindern mehr Autonomie gewährten.
Forschungen der Universität Zürich ergaben, dass Jugendliche während der Schulschließungen im Frühling 2020 durchschnittlich 75 Minuten länger schliefen. Dies führte zu einer signifikanten Verbesserung ihrer Lebensqualität und einem Rückgang des Konsums von Alkohol und Koffein.
Die WHO und HBSC berichteten auch von verbesserten Beziehungen zu Familie und Freunden aufgrund des engeren Kontakts zu Hause.
Die SOPHYA-Studie des Swiss TPH fand heraus, dass das Bewegungsverhalten von 5- bis 10-jährigen Kindern während der Pandemie nicht abnahm. Körperlich aktive Kinder zeigten eine bessere Lebensqualität und weniger Krankheitstage.
Der Nutzen der Maßnahmen, insbesondere zum Schutz vulnerabler Gruppen und zur Entlastung des Gesundheitssystems, wird im Beitrag kaum thematisiert.
Auch die Darstellung angeblich flächendeckender Schulschließungen ist ungenau. In vielen Bundesländern fand während der kritischen Phasen Wechselunterricht oder Notbetreuung statt. Zudem ist ein temporärer Ausfall von Präsenzunterricht kein historisches Novum – Schulferien in vielen Ländern dauern regelmäßig mehrere Wochen oder Monate, ohne dass daraus langfristige psychische Schäden resultieren.
Besonders kritisch ist jedoch, dass Quarks versäumt, den komplexen Kontext psychischer Belastungen differenziert darzustellen. Familiäre Krisen, soziale Ungleichheit, finanzielle Unsicherheit und die allgemeine Bedrohungslage durch eine globale Gesundheitskrise sind zentrale Faktoren, die in der öffentlichen Debatte zu oft vernachlässigt werden. Indem der Beitrag die Maßnahmen zum Hauptverursacher der Probleme stilisiert, bedient er Narrative, die seit Jahren von wissenschaftskritischen Stimmen verbreitet werden.
Solche Verkürzungen sind für ein Wissenschaftsformat problematisch. Sie untergraben das Vertrauen in eine differenzierte, faktenbasierte Aufarbeitung der Pandemiezeit – gerade jetzt, wo viele Menschen nach Orientierung suchen. Eine ernsthafte Diskussion über die Folgen der Pandemie ist notwendig. Sie sollte jedoch auf wissenschaftlicher Sorgfalt, Einordnung und Kontext beruhen – nicht auf populären Verkürzungen.
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