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CH: Stromversorgungssicherheit der Schweiz: Reserven bleiben trotz stabiler Lage unverzichtbar

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ElCom sieht gute Ausgangslage für Winter 2025/26 – doch geopolitische Risiken und Importabhängigkeit erfordern weiterhin vorsorgliche Massnahmen

 

Bern – Die Stromversorgung der Schweiz war im vergangenen Winter jederzeit gewährleistet. Auch für die bevorstehende Heizperiode beurteilt die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) die Ausgangslage grundsätzlich als positiv. Dennoch bleiben erhebliche Unsicherheiten bestehen – insbesondere mit Blick auf die Wiederbefüllung der europäischen Gasspeicher, die geopolitische Lage und die Importabhängigkeit. Die ElCom hält daher an ihrer bisherigen Strategie fest: Für 2030 wird eine Reserve von mindestens 500 Megawatt empfohlen, für 2035 zwischen 700 und 1’400 Megawatt – je nach Entwicklung von Nachfrage, erneuerbarem Ausbau und Importmöglichkeiten.

 

Winter 2024/25: Versorgung stabil, aber hohe Belastung der Speicherseen

Im vergangenen Winter profitierte die Schweiz stark von günstigen Importbedingungen, insbesondere durch die hohe Verfügbarkeit französischer Atomkraftwerke. Gleichzeitig führte die schwache Windstromproduktion in Europa zu einer verstärkten Nutzung der Schweizer Speicherseen, deren Füllstände vorübergehend deutlich sanken. Trotz dieser Belastung lag der Wasserstand am Ende des Winters über dem Niveau der vorab beschafften Wasserkraftreserve – ein Indikator für die Widerstandsfähigkeit des Systems, aber auch ein Warnsignal für die Zukunft.

 

Ausblick auf Winter 2025/26: Gute Prognose mit Vorbehalten

Die ElCom beurteilt die Ausgangslage für den kommenden Winter derzeit als solide. Kritisch bleibt jedoch die Versorgungslage auf dem Gasmarkt: Der Füllstand der europäischen Speicher ist aktuell vergleichsweise niedrig, und marktwirtschaftliche Anreize für die Wiederbefüllung sind bislang schwach. In Verbindung mit den geopolitischen Unsicherheiten – etwa infolge des anhaltenden Kriegs in der Ukraine oder Spannungen im Nahen Osten – ergibt sich ein fragiles Gesamtbild.

 

Erfreulich ist hingegen die weiterhin gute Prognose für die Verfügbarkeit französischer Kernkraftwerke sowie der Fortschritt beim Ausbau erneuerbarer Energien. Allerdings zeigt der vergangene Winter deutlich, wie stark wetterabhängige Energiequellen das europäische Versorgungssystem beeinflussen können – mit potenziellen Auswirkungen auch auf die Schweiz.

 

Systemstabilität unter Druck

Zusätzlich beobachtet die ElCom zunehmende Herausforderungen im Netzbetrieb durch extreme Unausgeglichenheiten zwischen Erzeugung und Verbrauch. Diese erfordern vermehrt kurzfristige Eingriffe zur Stabilisierung des Systems – ein kostspieliger und potenziell riskanter Trend. Erste Gegenmassnahmen wurden bereits ergriffen, doch eine vollständige Entwarnung sei derzeit nicht möglich, betont die Behörde. Die vorsorgliche Vorhaltung von Winterreserven – sowohl Wasserkraft- als auch thermische Kapazitäten – bleibe daher notwendig.

 

Langfristiger Bedarf bis 2035: Reservestrategie bleibt bestehen

Im Rahmen einer aktualisierten mittelfristigen Analyse hat die ElCom ihre Einschätzungen zur Versorgungssicherheit bis 2035 überprüft. Dabei wurden aktuelle Szenarien zur Stromnachfrage, dem Ausbau von Photovoltaik-Anlagen und die erwartete Laufzeit des Kernkraftwerks Beznau berücksichtigt.

 

Die Ergebnisse zeigen: Auch unter günstigen Annahmen bleibt das Risiko von Versorgungslücken bestehen. Weder die sogenannte Winterproduktionsanalyse noch die ergänzende «Adequacy-Analyse» (Systemadäquanz) geben Anlass zur Entwarnung. In Stresstests mit reduzierter Verfügbarkeit von Gas- und Atomkraftwerken steigt die Abhängigkeit von Importkapazitäten stark – und genau diese könnten in einem Szenario ohne Stromabkommen oder technische Vereinbarungen mit der EU begrenzt sein.

 

Daher hält die ElCom an ihrer Reserveempfehlung fest: Für 2030 sollen mindestens 500 MW bereitstehen – eine leichte Absenkung gegenüber früheren Annahmen, da die verlängerte Laufzeit von Beznau und ein verstärkter Photovoltaik-Ausbau berücksichtigt wurden. Für 2035 bleibt es bei 700 bis 1’400 MW. Sollte sich die Importlage verschärfen, könnten diese Reserven nicht ausreichen.

 

Etappiertes Vorgehen als Sicherheitsstrategie

Angesichts der Unsicherheiten empfiehlt die ElCom ein etappiertes und flexibel anpassbares Vorgehen bei der Beschaffung von Reserven. Sie will die Entwicklungen laufend evaluieren und bei Bedarf ihre Empfehlungen anpassen. Ziel ist es, trotz aller Herausforderungen ein robustes und widerstandsfähiges Versorgungssystem zu erhalten.

 

Das aktuelle Grundlagenpapier zur Winterproduktion sowie eine Zusammenfassung der System-Adequanz-Analyse sind auf der Website der ElCom veröffentlicht. Die vollständige Studie wird in Kürze folgen.

 

Hintergrund: Die ElCom

Die Eidgenössische Elektrizitätskommission ist die unabhängige Aufsichtsbehörde im Elektrizitätsbereich der Schweiz. Sie überwacht die Einhaltung des Stromversorgungs- und Energiegesetzes, setzt Preisentscheidungen durch und prüft regelmässig die Versorgungssicherheit. Ihre Mitglieder werden vom Bundesrat gewählt und agieren unabhängig von der Elektrizitätswirtschaft.

 

 

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