
DMZ – POLITIK ¦ Dirk Specht ¦
KOMMENTAR
Die überwiegend leider gelungene Diskursverschiebung durch die AfD in Sachen Verfassungsschutzbericht ist leider ein Schulbuchbeispiel mehr, wie gut und wie einfach das funktioniert.
Als ich gestern neben den Strukturen der vielen Institutionen des Verfassungsschutzes sowie der Differenzierung zu einem Verbotsverfahren, welches mit dem Bericht zunächst nichts zu tun hat und gar nicht existiert, vor allem auf den Punkt hingewiesen hatte, dass es selten Debatten gibt, ob diese Einstufung korrekt ist, kam es wenig überraschend zu zwei Reaktionen:
Erstens wurde erneut kritisiert, dass es so einen Bericht überhaupt gibt, wer den aus welchen Gründen erzeugte etc. Das folgt der von der AfD erzeugten Diskursverschiebung, ob es demokratische Strukturen geben könne, die über Parteien stehen, welche zudem so viele Wähler haben. Das wird entweder per se negiert oder es wird behauptet, diese Strukturen seien nur Instrumente anderer Parteien oder gar handelnder Einzelpersonen. Auch diese Kommentatoren ließen sich nicht darauf ein, Position zu beziehen, ob die Einstufung korrekt sei.
Der zweite Einwand galt der Tatsache, dass der Bericht nicht veröffentlicht wurde. Interessant war, dass auch hier selten der Rückschluss kam, eine eigene Position zur Einstufung sei gar nicht möglich, ohne den Bericht zu lesen. Wäre auch widersprüchlich, denn die Kommentatoren waren alle sehr sicher in Ihrer Fähigkeit alles mögliche einschätzen zu können - eine Wertung zur AfD selbst war trotzdem selten zu erreichen.
Unmittelbares AfD-Narrativ war in dem Kontext, der AfD selbst sei der Bericht auch unbekannt, das gehe schon gar nicht. Nun gibt es viele rechtsstaatliche Gründe, weshalb solche Berichte von ermittelnden Behörden wie viele andere auch in der Öffentlichkeit nichts zu suchen haben, sondern denen vorbehalten sind, die sich damit rechtsstaatlich zu befassen haben. Dazu zählt neben Quellenschutz übrigens auch der Schutz von Beschuldigten, denn der Bericht nennt konkrete Namen, Aktivitäten, Verbindungen etc. Die Behauptung der AfD, sie könne dazu nichts sagen, weil der Bericht nicht öffentlich ist, darf man also als Lüge bezeichnen, denn die AfD weiß genau, dass sie gegen diesen Bericht auf dem Klagewege widersprechen kann und dann auch Einsicht erhält. Das weiß sie sogar genau, denn sie hat mehrere - erfolglose - Klagen geführt und sich dediziert mit den konkreten Vorwürfen befassen können. Mehr noch: Sie hat sich entschieden, nichts davon abzustellen.
Nun wurde - wenig überraschend - parallel bekannt, dass auch dieser neue Bericht, der auf dem genauso öffentlich bekannten von Ende 2023 basiert, wieder „durchgestochen“ wurde. Der ist inzwischen diversen Pressekanälen zugespielt worden, einige haben ihn ins Netz gestellt und deutlich gemacht, dass der Bericht laut der Informationsquellen aus dem Innenministerium parallel der AfD direkt zugegangen ist. Als die das Narrativ von der nicht erfolgten Veröffentlichung erzeugten, wussten die also nicht nur, dass sie auf dem dafür vorgesehenen Klageweg Einsicht erreichen können, sie hatten den Bericht sehr wahrscheinlich sogar vorliegen und der dürfte ebenfalls sehr wahrscheinlich gar nicht so großartige Neuigkeiten zu dem ebenfalls vorliegenden Vorbericht enthalten.
Was sich derzeit abspielt, ist eine gute geölte Propagandamaschine, der viele wissentlich oder aus Ignoranz einfach das Wort reden. Auch heute dreht es sich weiter nur um die Frage, wo der Bericht herkommt, wer den aus welchen Gründen bekommen hat und was das alles für ein Skandal ist. Die Frage, ob die Einstufung korrekt ist oder wer dagegen welche Zweifel hat, spielt kaum eine Rolle - daran ändert auch die Tatsache, dass der Bericht vollständig verfügbar ist genau gar nichts. Dieselben, die gestern noch monierten, der Bericht sei nicht da, beschweren sich heute über den Weg, den der genommen hat. So auch rein exemplarisch der Focus, der allen Ernstes diese Headline über einen Text stellt, in dem klar wird, dass der Bericht längst kursiert und die ihn selbst wohl auch nicht lesen wollen, sondern lieber irgendeine Empörung mehr formulieren.
Es geht schon lange nicht mehr um die Tatsache, dass die meisten an der Korrektheit der Einstufung keine Zweifel haben. So macht man Rechtsextremismus als Teil des angeblich demokratischen Spektrums salonfähig. Viele wollen das und wählen diese Partei gerade wegen dieser Einstufung. Viele spielen mit dem brandgefährlichen Gedanken, man solle das mal zulassen, weil es für was auch immer besser ist.
Ist es nicht. Für nichts.
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